Mirko Santoru ist ein zentrales Mitglied der Hermetic Brotherhood of Lux-Or und des sardinischen Trasponsonic-Kollektivs, tritt unter dem Namen MSMiroslaw aber auch Solo in Erscheinung. Die vorliegende Veröffentlichung ist eine überarbeitete Aufnahme von Auftritten, die in den prähistorischen Kultstätten Duos Nuraghes und Santu Bainzu im Inneren Sardiniens stattfanden und sowohl technisch als auch konzeptuell der menschlichen Stimme gewidmet waren.
Benannt sind die sechs Tracks nach verschiedenen Körperorganen, die bei der Bildung von Stimmäußerungen eine Rolle spielen, neben dem Rachen, den Stimmbändern, Epiglottis und Zunge sind auch Speißeröhre und Nasenhöhle (wohl als Resonnanzräume) und die Amygdala vertreten, letztere, die wesentlich für das Empfindbarmachen von Angst verantwortlich ist, wohl in einem eher abstrakten Zusammenhang, aber als anatomischer Laie will ich das nicht beurteilen.
Gleich zu Beginn wird klar, dass es in diesem mit allerlei technischen Verfremdungseffekten bearbeiteten Zoom auf den Prozess der Stimmarbeit dunkel und bisweilen geradezu bedrohlich zugeht, weswegen der erste Titel “Amygdale” dann auch ganz gut passt. Infernalisches Rauschen, undefinierbares Brummen und ein beigemischtes choralartiges Etwas lassen an dem Dunkel, das im menschlichen Organismus herrscht (und das Julia Kristeva in ihrer gleichnamigen Monografie bereits zu den “Mächte(n) des Grauens” zählte), keinen Zweifel.
In gewisser Regelmäßigkeit tauchen erkennbare menschliche Stimmen auf, stets MSM selbst, mal als kraftvolles, von Feedback-Rauschen umhülltes Tremolieren, mal als knurrender Schamanengesang, mal an verwehten Choralgesang erinnert, mal wie heftiges Feueratmen, mal fast feminin gehaucht oder als dedgeridooartiges Brummen. Statisch sind diese Ritualaufnahmen keineswegs, auch wenn man das zeitweise denken mag, subtile Brüche im Tempo ereignen sich von Zeit zu Zeit, und manchmal lässt sich schwer ausmachen, ob es die Schnelligkeit der Stimmäußerungen ist, oder doch eher die Heftigkeit ihres Hervorpressens, die sich steigert.
Leicht rhythmische Komponenten und elektronisch wirkendes Glühen runden das Klangbild ab, und es ist schwer einzuschätzen, welche Effekte dem Mischpult und welche den laut Liner Notes gelegentlich als Klangerzeuger genutzten Steinen des Settings entstammen – letztlich ist dies ohnehin irrelevant, denn ein Album wie “Organes de la Voix” soll in erster Linie erlebt werden, in guter Konzentration und in einem Zug. (U.S.)
Label: Trasponsonic