Die Musik, die Stella Chiweshe seit den frühen Siebzigern spielt, stand in ihrer Heimat Simbabwe und in der Tradition der Shona-Volksgruppe ursprünglich in einem rein sakralen, rituellen Kontext. Nach dem Tod eines Angehörigen soll dessen Seele vom ziellosen Umherwandern bewahrt und wieder in den Familienkreis zurückgeholt werden. Angerufen wird die Seele mit ausgiebigen Tänzen und einer rituellen Musik, die auf Gesängen, Rasseln und Mbira basiert – letzteres eine den Xylophonen verwandte Klangplatte mit zweiundzwanzig (oder bei größeren Geräten achtundzwanzig) Eisenlamellen, mit der per Hand ein Klang erzeugt wird, der Rhythmus und Melodie zu einer untrennbaren Einheit werden lässt. Unter der englischen Kolonialherrschaft, die bis in die Siebziger reichte, waren solche Rituale offiziell nicht erlaubt und wurden nur unter der Hand, bestenfalls als offenes Geheimnis, durchgeführt.
Als die junge Stella Chiweshe, die in ihrer Kindheit mit westlicher Musik sozialisiert wurde, ihr Interesse an der Mbire-Musik entdeckte, war diese zudem eine reine Männerdomäne, und dass sich schwer ein Lehrer für sie finden ließ, verschaffte ihr keinen leichten Start. Doch Hartnäckigkeit zahlte sich aus, und als 1974 ihre erste Single erschien und Chiweshe auch außerhalb ihrer Heimat solo oder mit Band zu touren begann, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie internationale Bekanntheit erlangte und in ihrer Region im südlichen Teil Afrikas, ein Star wurde. Doch auch als Medium der Bira-Zeremonie erlangte sie mit der Zeit Anerkennung, so dass ihre Geschichte auch die Geschichte einer Brücke zwischen dem Heiligen und Profanen darstellt, die im Kontext ihrer Kultur ohnehin in vielen Bereichen bestand.
Auf “Kasahwa” sind nun acht vergriffene Singles aus den Siebzigern und Achtzigern auf CD und LP wiederveröffentlicht worden. Viele der Songs haben laut Liner-notes einen magischen Hintergrund. “Ratidzo” etwa soll zu Handlungen motivieren, die die Naturgesetze umgehen, “Chipindura” besingt ein Kraut, das Gegenstände verwandelt, und auch “Mayaya” steht im Zusammenhang mit verschiedenen Heilkräutern. Interessant ist dabei jedesmal, dass sich der okkulte Hintergrund nie in Pathos und Düsternis ausdrückt, sondern stets entspannt und heiter daherkommt, oft in einfach anmutenden Takten und Melodiebögen, doch bei genauerem Hinhören entdeckt man in einigen Songs ein unterschwelliges Drängen und eine Entgrenztheit, die den Stücken dann doch einen doppelten Boden gibt. Obwohl die Songs auch für ungeübte Ohren eine unverkennbare Handschrift tragen, stechen doch immer wieder einzelne Komponenten heraus wie das stimmungvolle Jodeln im abschließenden “Nhemamusasa” oder die polyrhythmischen Passagen in “Mayaya” oder im Titelsong, in denen die Mbire und die Rassel zwei unterschiedliche Rhythmen anstimmen. Ihre gemeinsame Wirkung entfalten sie erst, wenn man sich bewusster darauf einlasst. .
Die gerade erschienene Compilation ist nicht nur ein guter Einstieg in das Werk der heute 70jährigen Wahlberlinerin, sondern auch in einen faszinierenden und komplexen Kulturzusammenhang, in dem sich Magie und Alltag, Tradition und moderne Populärkultur auf ganz eigene Art überlappen. (U.S.)
Label: Glitterbeat