Als der Komponist Dubravko Detoni 1970 das Kollektiv Acezantez ins Leben rief, hatte er v.a. ein Live-Ensemble im Hinterkopf, das experimentelle Arbeiten von z.T. unbeachteten kraotischen Musikern der damaligen Zeit aufführen und somit etwas bekannter machen sollte – der nach etwas eigenwilligem Spanisch klingende Name ist dann auch eine Abkürzung und bedeutet übersetzt “Ensemble des Zentrums für neue Richtungen in Zagreb”. Immer mehr Virtuosen unterschiedlicher Streich-, Blas- und Perkussionsinstrumente beteiligten sich an dem Projekt, und mit der Zeit entwickelte es sich zu einem lokalen Garanten für ausgefallene Neue Musik von zumindest dem Anschein nach improvisierter Ausrichtung, die im Jugoslawien der späten Tito-Ära schnell Schule machte. Nach sieben Jahren brachten Detoni und seine Mitstreiter dann ihr erstes und streng genommen einziges Album heraus, und die zwei seitenfüllenden Tracks, die zuvor schon aufgeführt wurden, nehmen vieles vorweg, was kurze Zeit später die experimentverliebten Geschmäcker dominieren sollte.
Detoni ist auch in seinen Soloarbeiten, in die ich mich gerade reinknie, ein Meister der Kombination von abenteuerlicher Verzerrung und fast anheimelnder Melodik. Man könnte den Titel des Tracks auf der ersten Seite, “Kic Varijacije” (Kitsch-Variationen), damit in Verbindung bringen, denn die mitunter turbulente Klangreise startet wie ein Märchenhörspiel mit lieblichem Glöckchengebimmel, unter dem sich allerdings immer mehr das Frickeln und Klimpern eines Jazzinstrumentariums bemerkbar macht. Es könnte der Auftakt zu einem Gialloscore sein, der gerade eine kitschige Szene mit Kindern untermalt, die auf kein gutes Ende hinausläuft – es ist nicht das Miauen einer Katze, das Vogelkonzert inklusive Entenquaken, das Jaulen diverser Stimmen, die Quietschmäuse und das atonale Saxophon, die das ungute Gefühl erzeugen, eher noch bringen sie und andere gesamplete Sounds eine bizarre Heiterkeit und somit etwas Licht in die Szenerie, die wie in David Lynch-Manier durch den Türspion eines Puppenhauses gefilmt anmutet. Elektronisches, wellenförmiges Dröhnen wechselt sich mit impulsiven Pianoparts, Saitenbrummen und -knarren und einer anheimelnden Klarinettenmelodie ab, und die sepiafarbene Tönung des Ganzen hat Jahre später einen würdigen Nachklang in den organischeren Arbeiten Doc Wörr Mirrans erfahren.
Das die zweite Seite füllende “Bajka” (Fabel) wirkt mit dem elektrifizierten Windrauschen anfangs futuristischer und behält die erste Hälfte den etwas leiseren Tönen vor. Die haben es aber dennoch in sich, und aus Stimmakrobatik in der Art von Audrey Chen, polyrhythmisch hämmernden Maschinen und der Simulation von Pferdehufen ein feinsinniges Gewebe zu erzeugen, beweist echtes Können. Das alte viktorianische Backsteinhaus, das anfangs wie eine Fabrik aus dem 19. Jahrhundert anmutete, entpuppt sich aber als eine Art Bedlam, sobald Vokalistin Veronika Durbešić die Bühne betritt und ein ganzes Repertoire an surrealen Details beisteuert – von verwundertem kindlichen Hauchen und gespenstischem Flüstern über wirres Lachen und hysterisches Schnattern und Heulen bis zu rückwärts gespieltem Singsang mit und ohne Text wird allein gesangstechnisch eine große Bandbreite abgespielt, bei der man zwangsläufig auch an Diana Rogerson denken muss, und auch beim Zusammenspiel mit plätschernden, tremolierenden Sounds und wüsten Tempospielereien ist die Nähe zu den fast zeitgleich gegründeten Nurse With Wound derart groß, dass man als Schelm glatt Böses denken könnte. Bezug nimmt das Stück übrigens auf den Schlussmonolog von Shakespeares Macbeth, was man, wenn man es weiß, auch an einigen Wortfetzen heraushören kann.
Die vor kurzem erschienene Neuauflage als LP kann man nicht genug begrüßen, da es sich hier um einen weitgehend unbekannten Klassiker handelt, der auch international Beachtung verdient. (U.S.)
Label: Sub Rosa