“Vulner” ist ein Debütalbum, doch Vince Gagliardis Projekt The Nent hat bereits eine lange Vorgeschichte. Seit den Jahren nach 2000 sammelt der Wahlberliner Sounds aus alltäglichen und weniger alltäglichen Quellen, archiviert, bearbeitet und kombiniert diese zu feinsinnigen Ambienttexturen. Unter seinem Projektnamen verbindet er sie mit Bild, Film und Performance und teilte sich die Bühne bereits mit Musikern wie William Basinski, Phurpa, Treha Sektori und Sarah Lipstate, um nur einige der bekannteren zu nennen.
Die drei Tracks auf seinem nun bei Cyclic Law erschienenen Album sind detailverliebte Narrative, die das unberechenbare Auf und Ab des Werdens und Vergehens im Großen wie im Kleinen nachzeichnen und nach eigener Angabe v.a. die damit zusammenhängende Fragilität bzw. Vulnerabilität der Existenz nachzeichnen.
Der bedeutungsschwer betitelte Opener “Veritas” ist von der Entwicklung her und auch stimmungsmäßig die linerarste Komposition des Albums, und doch beginnt alles mit einer Art Urknall: Eine schnell oszillierende, eher dumpfe Klangfläche rattert und rasselt einen nie statischen Rhythmus, und doch sind die Wellen des Auf und Ab so entspannt, dass nur noch die Ocean Drum fehlt, um das Gefühl vom Weite perfekt zu machen. Die langsame Steigerung von Intensität und Volumen bemerkt man schnell, und bald leiten Drums den dramatischen Höhepunkt ein. Synthietupfer und harsche Karambolagen wie aus dem Crossover von Hunting Lodge prägen den weiteren Verlauf, bis alles in einer kühl getakteten Entspannung ausklingt.
Die beiden anderen Stücke “Venustas” und “Vacuum” basieren auf einer ähnlichen klanglichen DNA und verlangen beim Hören doch einiges mehr ab, denn bei ihnen ist der Verlauf viel offensichtlicher unklar. Nach aufwühlendem Lärm folgen in “Vernustas” einige sehr reduzierte Phasen, und das Bimmeln und zeitweise sogar tanzbare Rattern wechselt immer wieder die Richtung. SkuV, das rhythmischere No Wave-Projekt Gagliardis aus dem Metzger Therapie-Umfeld kommt einem zeitweise in den Sinn. Erst zum berührend emotionalen Schluss wird klar, wie wenig statisch der Verlauf des Tracks war – ähnlich dem von metallener Perkussion durchzogenen Rauschen von “Vacuum”, dessen kratzige Passagen beinahe an den psychedelischen Noise von Acts wie Govt. Alpha erinnern und wie die vom Mühsal der Bewegung und der Melancholie der Erlösung zu künden scheint.
Das Album erscheint in mehr als solider Stückzahl auf chicen LPs und CD-Digipacks und wird verdientermaßen seine Freunde in der Ambient- und Soundart-Community finden. (U.S.)
Label: Cyclic Law