Es wäre sicher vorschnell, den Titel von Torbas knapp vierzigminütiger Soundkollage “Musica Convenzionale” als reine Ironie zu verstehen, und wer ein Ohr hat für die feinsinnige Verknüpfung der verwendeten Materialien, mit der Mauro Diciocia einmal mehr frühere Standards weiterführt, wird bei dieser Vorstellung ohnehin schnell ins Stolpern geraten. Die Musik auf der ersten CD-Veröffentlichung des Projektes steht in einem vielfältigen und mehrdeutigen Bezug zu gewöhnlicher Musik und musikalischen Gewohnheiten.
“Musica Convenzionale” beginnt mit sirrenden Streichern, die Auftakt eines Postrock-Stücks oder einer sauber produzierten Ambientplatte sein könnten. Doch schon bald melden sich mit mysteriösem Murmeln und Flüstern, mit rostigem Rumpeln und papiernen Soundschnipseln einige der Hauptinhaltsstoffe zu Wort, kurz darauf prasselt eine veritable Schuttlawine vorbei und ruft die lärmigsten Arbeiten Torbas in Erinnerung.
Schon hier zeigt sich die Komposition aber als zu filigran und gutgefügt für brachialen Noise, zu brüchig, verwaschen und in Momenten hochtönend aber auch für stubenreine Soundart, und doch schafft die Musik es, beide Klaviaturen – oder Konventionen – anzuzapfen und in aller Beiläufigkeit ihre Wirkmechanismen bloßzulegen. Auf allzu “logische” Plotstrukturen und ähnliches Pathos wird weitgehend verzichtet, regelmäßige, doch auch nicht allzu zuverlässige Brüche halten die Sequenzen in Bewegung, auch wenn diese nicht mehr ganz so abrupt erfolgen wie auf früheren Arbeiten. Fühlte man sich dort immer wieder einem plötzlichen Reset ausgesetzt, so könnte man hier die ganze Komposition als einen solchen empfinden.
Viele Klangquellen bleiben obskur, und doch gibt es immer wieder Momente, in denen improvisierte Celloparts, zu harmonisch für reine Spielerei, desweiteren Spannungsmacher mit Piano (oder Cembalo?), Folkgitarren und sogar kurze Rock- und Blueszitate an die Oberfläche tauchen und das akusmatische Enigma kurz durchbrechen. Geschäftiges Hantieren, elektrifiziertes Zirpen und andere Sounds vom Reel to Reel-Tape führen die Komposition jedoch immer wieder auf ihre Materialität und so auf die Basis jeder Musik zurück.
Letzteres wäre eine sehr allgemeine Referenz zu “konventioneller Musik”, mit der man interpretatorisch immer auf der sicheren Seite wäre. Wozu allerdings, denn einem Projekt wie Torba, das sich seit nunmehr zehn Jahren eher der Dissemination anstelle von klaren, bequemen Aussagen verschrieben hat, steht ein assoziatives hermeneutisches Spiel letztlich am besten zu Gesicht. Die CD ist als Auftakt zu einer losen Trilogie namens “La Musiche” gedacht, und es wäre schön, wenn man sich bis zum zweiten Teil auf der CTM oder bei einer ähnlichen Gelegenheit sehen könnte. (U.S.)
Label: Edizioni Aaltra