Augenblicke der Glückseligkeit, ein bescheidenes und zugleich vermessenes Ziel, das keinem Bedrückten und Getriebenen fremd ist, das man an ganz unterschiedlichen Orten suchen und in besonderen Momenten vielleicht finden kann: Im künstlichen Paradies des Drogenrauschs und in leichteren, lediglich verträumten Formen eines regressiven Eskapismus, ebenso im exakten Gegenstück, der konzentrierten, meditativen Selbstbestimmtheit. Für den Dänen Magnus Westergaard von der nur schwer zu definierenden Folk/Post Punk-Combo Dune Messiah scheinen diese Sehnsüchte nichts Unbekanntes zu sein, doch für sein Album „Moments of Bliss“ packt er diese in eine schräge Kunstfigur, eine ambivalente Persona, die von Song zu Song zwischen Misanthropie, Hoffnung, Begehren und bitterer Abgeklärtheit hin und her springt und doch all dies zu einem unentwirrbaren Gemisch werden lässt, das im musikalischen Bezugsreichtum seine Entsprechung findet.
Dune Messiah wurden anfangs von vielen in die Dark Folk-Ecke gesteckt, die ohnehin von Beginn an auch eine punkige Seite hatte, und auch auf dem neuen Longplayer gibt es sie: Das eröffnende „Silence and Surrender“ beginnt mit einem bassknarzigen Into und geht über in einen von poppigen Handclaps getakteten Schrammelfolk, dessen Schmissigkeit den erschöpft wirkenden Gesang auf den Beinen hält. In „Black Seaweed“, das Gefühle der Einsamkeit und scheinbar unstillbares Begehren in poetische Worte fasst, kommen eine monotone Drummachine und eine smoothe Lounge-Trompete hinzu, bei der es schwer fällt, nicht an DIJ in ihrer Zusammenarbeit mit Campbell Finlay zu denken, gleichwohl es hier emotional um einiges freier und unbeherrschter zugeht. Die Vermischung dieser Elemente mit einem Hauch von Americana und dem Flair klassischer Roadmovies macht sicher einen guten Teil der Signatur Dune Messiahs aus, und so lugen bei einigen der Songs die Schatten von Hank Williams und Johnny Cash, in besonders traurigen Momenten wie dem von klagenden Violinen und resignativen Twangs zusammengehaltenen „Dreaming Away“ der von Townes Van Zandt um die Ecke. In diese Richtung gehen „The Blizzard“ mit seinen eindringlichen Bildern des Verfalls, das bitterironische „Broken“ und die zwischen prosaischer Rezitation und plötzliche Melodie-Einbrüchen wechselnde Edgar A. Poe-Vertonung „Berenice“.
Gegen Ende ereignen sich die turbulentesten Momente, in denen das lyrische Ich seiner emotionalen Aufgewühltheit und seinem Weltekel keine Zügel mehr anlegt, und auch musikalisch alle möglichen und unmöglichen Register (der Polka-Pogo-Touch beispielsweise im tief sarkastichen Gothic-Western von „The Black Stallion Horse of Commerce“) gezogen werden. Neben den genannten Referenzen mag man beim Gesang gelegentlich an David Eugene Edwards denken, in fragileren Momenten an Sänger wie Nick Grey oder Mute Swimmer, aber all dies kann nicht über die Dune Messiah-Handschrift hinwegtäuschen: ein fast kindlich verspieltes Flirten mit dem Abgrund, der in den abwegigen Texten und ihrer Darbietung, und irgendwie auch im netten Cover zu finden ist, das Westergaard als Sieger eines Bryan Ferry-Lookalike-Contest zeigt. Was „Moments of Bliss“ ganz nebenbei auch zeigt ist, wie der in seiner Reinform oft langweilige Neofolk am besten funktioniert: als apokalyptisch-misanthropische Beigabe, die einer viel offener gestalteten Musik einen Schuss bitteren Wahnsinns verleiht. (U.S.)