Der in Kasachstan und Usbekistan gelegene Aralsee, dessen Fläche und Wassermenge in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts extrem zurückging und erst in den letzten Jahren einer zumindest partiellen Wiederherstellung unterzogen wurde, liegt im Zentrum komplexer okologischer und auch ökonomischer Systeme. Er speißt sich aus zum Teil großen Zuflüssen, deren Quellgebiete bis an die Grenze zu China reichen und die durch mehrere zentralasiatische Länder fließen.
Als diese noch Teil der Sowietunion waren, wurden zahlreiche landwirtschaftliche und andere Industrien von diesen Flüssen aus mit Wasser versorgt, was u.a. zum Schwinden weiter Teile des Sees und so zum Niedergang dort ansässiger Wirtschaftszweige führte. Die fast logische Folge davon war Armut und Bevölkerungsschwund. Noch heute sieht man hier und da Bilder von verrosteten Schiffswracks im Wüstensand und von Ruinen ehemaliger Fischerdörfer, heute Geisterstädte im trockenen Niemandsland. In den Jahren nach der Unabhängigkeit der umliegenden Staaten wurde hier und da an der Wiederherstellung des Sees gearbeitet, was der verbliebenen Bevölkerung Grund zur Hoffnung gibt. Die Verwickeltheit des Ganzen in politische und ökonomische Abhängigkeiten, die Tatsache, dass sich die betreffenden Länder durchaus nicht immer einig sind, sowie die Herausforderungen globaler Klimafaktoren machen daraus jedoch keine leichte Aufgabe.
Peter Cusack, der seit den 90ern den typischen Soundscapes ausgewählter Orte nachspürt, um diese im Zusammenhang mit den Vorlieben, Ängsten und Sehnsüchten ihrer Bewohner zu erforschen, reist seit einigen Jahren immer wieder in die Region, um die v.a. aquatischen Klänge verschiedener Orte in dieser unsicheren Übergangszeit zu sammeln und auf dem vorliegenden Album zu dokumentieren. Seine erste Station war der kleine Ort Tastubek auf der in Kasachstan gelegenen Seite des Sees, und der erste Track auf “Aral Sea Stories and the River Naryn” zeigt den Ort während eines aufkommenden Gewitters, und natürlich ist Regen, der seit der Restaurationsarbeit wieder stärker fällt, ein Hauptaspekt, der das ganze Biotop – wie Schiffshörner brummende Kamele, herumtobende Kinder, aufgescheuchte Farmtiere, ein vereinzelter Motor – in eine Erlösung bringende Atmosphäre taucht. Das darauffolgende Stück mutet wie eine verfremdete Version von Regensamples an, zeigt tatsächlich aber das leicht bimmelnde Geräusch vereister Zweige, die im Wind gegeneinanderknallen – wiedergefrorenes Tauwasser ist eine Folge weltweiter Klimaveränderungen.
Die zweite Station ist die kirgisische Kleinstadt Shamaldy-Sai, wo Cusack die Geräusche einer imposanten Wassermühle am Naryn-Fluss aufnahm. Die Aufnahmen beginnen mit einem eigens geschriebenen Folksong zu Ehren des Wassers, den der lokale Sänger Tinarbek Kerimbekov mit heiserer Stimme und Schrammelgitarre schmettert. Nach den knapp drei Minuten oraler Chronik in Kirgisisch folgen zwei Aufnahmen des großen Wasserrades, aufgenommen außerhalb und innerhalb des Metallgehäuses. Was mit sanftem Plätschern und den diffusen Sounds gelegentlicher Handgriffe beginnt, wird im Inneren der Vorrichtung immer mehr von rostig-metallenen Geräuschen durchzogen. Was jedoch am meisten hängen bleibt, ist die zyklische Form der Bewegungen des Wassers wie der Gerätschaft, was vom Titel “Perpetual Revolution” passend eingefangen wird.
Vielleicht ist dies auch ein ganz passendes Symbol für die Hoffnung, dass der alte Aralsee und somit ein Teil der Lebens- und Wirtschaftsweise seiner Anwohner einem Neubeginn entgegen sehen können. (U.S.)
Label: Corvo Records