Zum achzehnten Mal bringt das englische Label Sombre Soniks nun die Sampler-Reihe “Dark Ambient” heraus, die überwiegend Künstler aus dem hauseigenen Umfeld vorstellt. Den Titel sollte man nicht unbedingt als Genrebegriff lesen, denn die Drone- und Ambientklänge, die man gemeinhin mit der gleichnamigen Musiksparte assoziiert, machen meist nur einen Teil der vertretenen Musik aus. Auf der neuesten Folge sind dreiundzwanzig Interpreten aus verschiedenen musikalischen Himmelsrichtungen vertreten, und wenn die Kompassnadel in diverse elektronische, psychedelische, noisige und auch folkige Gegenden zeigt, ist es stets die okkult-rituelle Ausrichtung, die die Beiträge wie ein Band umfasst. Hinzu kommt diesmal ein inhaltlicher Fokus auf die Mythen des antiken Griechenland.
Wer – sei es durch den Lektürekanon am humanistischen Gymnasium oder durch Filme und Serien – einmal in den Mythenschatz des archaischen Griechenland eingetaucht ist, weiß, dass dieser, oder besser: allein, was davon überliefert und bekannt ist, eine ganze Weltenzyklopädie enthält, von Göttern, Helden und ordinären Menschen handelt, magische und profane, ernste und komische Erzählungen enthält. Entsprechend vielseitig ist so auch das von den beteiligten Musikern gewählten Themenspektrum. Der diesmal ausgesprochen lärmende Guy Harris sowie die Kollegen von den auf je eigene Art folkig-ambienten Grist und Hellschreiber huldigen z.B. den Sagen um den im Labyrinth von Knossos lauernden Minotaurus aus der Sage von Theseus und Ariadne, der mit seinem höllischen Gebrumme dann auch selbst zu Wort kommt.
Andere wie Akoustik Timbre Frekuency, Mørket und Arcaide widmen sich mit abgründigem Murmeln und Flüstern, einer vibrierenden Zikadenlandschaft und trunkenem Analogsound komplexen Stoffen aus Hesiods Theogonie, in der im 4. Jh. vor unserer Zeitrechnung von der Geburt der Götter, ihren Taten und ihrem Stammbaum berichtet wurde. Manche Beiträge handeln von bestimmten Orakeln (so das von luftigem Folkambient zu doomiger Schwere changierende Stück von Druhá Smrt). Babalith wiederum huldigen der Dichterin Sappho aus dem Lesbos des 6. Jh. – eine historische Figur, die aber zahlreiche Götterhymnen verfasst hat – und steuern mit ihrem in Flüstern und Rauschen gepackten Klarinettenmotiv eines der schönsten Stücke der Compilation bei.
Unter den fast zwei Dutzend Beiträgen zwischen gut vier und knapp vierzig Minuten findet sich viel Interessantes und, wie bei der Länge nicht anders zu erwarten, auch die eine oder andere kleine Durststrecke, die alle aufzuzählen den Rahmen sprengen würde. Neben den genannten Beiträgen ragen noch die episodische Nachtfahrt über den Abgrund von Alone In The Hollow Garden sowie der Belgier Tzii heraus, dessen eindringlich soghaftes Dröhnstück Perkussion und entgrenzte Bläserparts enthält, die manche traditionelle griechische Musik bisweilen in die Nähe von Freejazz rückt. Dann nicht zuletzt Temple Music, die – diesmal wieder jedem Spacerock abholt – ein Gedicht von Georgios Kariotis zu Zeus’ Geliebten “Io” mit sakral anmutenden Klängen untermalen, die Freunde alter Ain Soph in Verzückung versetzen dürften. Bandleader Alan Trench lebt seit einigen Jahren auf der Insel Euböa nahe Athen und ist bestens in den lokalen Musikszenen mit ihren Themenkomplexen vernetzt. Nicht unwahrscheinlich, dass er einen gewissen Einfluss auf die Stoffwahl des Samplers hatte.
Schwerpunkmäßig überwiegt in den Beiträgen die mystische Seite der griechischen Sagenwelt, wohingegen das “Homerische” eher ins Hintertreffen gerät, aber was die meisten Beiträge eint, ist die stimmungsmäßige oder durch griechische Musik-Anleihen vollbrachte Annäherung an die Mythenstoffe, weswegen “Dark Ambient Vol. 18″ durchaus mehr als eine Werkschau plus Überbau ist. (A.K./U.S.)
Label: Sombre Soniks