Die norwegische Inselgruppe Svalbard, die hierzulande als Spitzbergen bekannt ist, liegt in etwa in der Mitte zwischen Nordkap und Nordpol und ist die nördlichste der bewohnten Inseln Europas. Trotz ihres unwirtlichen Charakters ist sie bei Touristen, v.a. bei betuchten Kreuzfahrern beliebt, und wer sich entsprechend umschaut, stößt schnell auf allerhand liebenswürdige Stereotypen: Kühlschrank Europas, mehr Eisbären als Menschen, sterben verboten u.s.w. Das Archipel hat aber auch seine ganz eigenen Schwierigkeiten, so schwanken die Temperaturen immer mehr, Regen weicht Teile der Permafrost-Böden auf, Teile des von Fjorden durchzogenen Küstengebiets werden langsam, aber stetig vom Meer geschluckt. Die Gründe dürften bekannt sein.
Das italienisch-amerikanische Duo Blind Cave Salamander besuchte die Inseln mehrmals, zuletzt in Form einer Artist Residency im Hauptort Longyearbyen, wo eine ganze Reihe an landestypischen Sounds gesamplet und verarbeitet wurden. Doch Fabrizio Modonese Palumbo und Paul Beauchamp wären nicht die Meister der verschieden traktierten Saiten, wenn sie die Aufnahmen nicht mit Schichten atmosphärischer Texturen kombiniert hätten.
Bei den meisten Tracks bilden solche Sounds eine subtile Unterströmung, auf der Instrumentalparts meist eine kühle oder mollastig-besinnliche Atmosphäre entstehen lassen, die sich zu miniaturhaften Etüden in Eis und Schnee verdichten. Zu den minimalen, in ihrer dezenten Melodik gleichsam berührenden Akkorden des ersten Abschnitts gesellen sich eisig zischelnde Takte im Downtempo, die im Verlauf eine fast metronomische Form annehmen. Kernige Bassläufe kommen hinzu, eine leicht schlenkernde Unruhe und etwas, das an Zikaden erinnert, weist schon auf die aufwühlende Dramatik hin, die sich im Cello-Solo von Julia Kent, die als quasi drittes Bandmitglied selten fehlt, ereignet. Der Store Norske Mandskor steuert traditionellen Gesang bei und Xiu Xiu, in der Vergangenheit Kollaborateur der verwandten Band Larsen, beteiligt sich ebenfalls an einem Segment, das von kratzenden Rock-Ansätzen und hämmernden Rhythmen geprägt ist, aber im Wesentlichen überzeugt die Musik durch molligwarme Dröhnung, eisigen Minimalismus und jazzig angehauchten Zeitlupengroove.
Man erwacht aus dieser Musik wie aus einem luziden Traum und darf zugleich Augen und Ohren offenhalten für Kommendes, denn die “Svalbard Suite” ist Teil eines großen, von einem Turiner Theater konzipierten Werks. Teile der Aufnahmen wurden für eine Dokumentation, für einen fiktionalen Kurzfilm und für ein Theaterstück verwendet, die Soundtrack-Version mit unheimlich verfremdeten Field Recordings liegt der Veröffentlichung bei. (U.S.)
Label: Hypershape Records