ERNEST HOOD: Neighborhoods

Erinnerungen an vergangene Zeiten haben oft eine stark sinnliche Komponente und werden durch Düfte, Bilder und Sounds angeregt, und es bedarf einer gewissen Eindringlichkeit, Erinnerungen im künstlerischen Medium so zu transportieren, dass sie starke Vorstellungen beim Publikum evozieren. Ernest Hood, von Haus aus Jazzgitarrist und zugleich ein Pionier in der Arbeit mit Field Recordings, hat Mitte der 70er, als die USA gerade die 50er Jahre als beinahe mythische Ära wiederentdeckten und hierzulande das Schlagwort „neue Innerlichkeit“ en vogue war, ein berührendes Porträt seiner Jugend am Rande von Portland, Oregon, aufgenommen, das die Stärken von Hörspiel und Soundtrack verbindet und vermutlich bei den meisten Hörern Bilder entstehen lässt. Er selbst sprach damals von seiner Arbeit als einer musikalischen Cinematografie.

Einige der Feldaufnahmen auf „Neighborhood“ waren damals schon alt, andere wurden vermutlich zielgerichtet aufgenommen und ausgewählt, aber das Bild der Nachbarschaft und der dort verbrachten Kindheit hat durchaus Kohärenz: Herumtollende Kinder, verschiedene Gesprächsfragmente, Grillenzirpen, ein bellender Hund, Vogelstimmen und die plätschernden Wellen eines Gewässers tauchen immer wieder aus dem Klanggewimmel auf und schaffen über weite Strecken eine unbeschwerte und oft leicht verträumte Stimmung, die aber vage und verschwommen genug bleibt, um die schöne Erinnerung nicht in sentimentalen Kitsch abdriften zu lassen. Titel einzelner Abschnitte wie „Saturday Morning Doze“, „August Haze“ oder „The Secret Place“ unterfüttern das angenehme Kolorit, und auch die Musik, die wie ein Score immer wieder an bestimmten Stellen auftaucht und die Stimmung akzentuiert, passt gut dazu: liebliches Gitarrenpicking, verspielt nostalgische Synthies, die einerseits die Signatur ihrer Zeit tragen, melodisch aber die Aura vergangener Jahrzehnte haben, kindliche Melodien aus einem Leierkasten. Aufgeweckte Zirkusmusik hebt die Stimmung an, und wenn es auf der Handlungsebene mal etwas turbulenter wird – hupende Autos, laute Motoren und hektische Stimmen – tut dies der Unbeschwertheit keinen Abbruch, und inmitten des musikalischen Strudels fragt jemand, ob die Kinder ein Eis wollen.

Eine Aura von Abenteuer, wie sie unbeschwerten Kindheitstagen anhaftet, umgibt die Aufnahmen, doch in jedem Augenblick, gerade wenn Bilder bestimmter Orte wie die eines kleinen Ladens vor dem inneren Auge auftauchen, wird auch der nostalgische Blick des Zurückschauens deutlich. Die lange vergriffenen Aufnahmen sind nun in remasterter Form wieder erhältlich.

Label: Freedom to Spend