Wer “Atmosfere” auflegt und zumindest partiell mit dem bisherigen Werk von Pat Moonchy und Todd Tobias vertraut ist, könnte sich eine ganze Weile irritiert fühlen und fragen, ob er oder sie sich vielleicht im Plattenschrank vergriffen hat. Was einem da entgegenschallt, ist weit entfernt von schrillen Stimmexperimenten in kunstvollen Fantasiesprachen und von rauer, nach originellen Kontrasten kollagierter Psychedelik.
Stattdessen lauscht man dem netten Gitarrenpicking und dem Midtempo-Drumming eines entspannten Folksongs entgegen, der sich langsam in eine dezente Rockballade verwandelt. Auch beim leicht gehauchten Gesang wird man stutzig und denkt zunächst, Linda Perhacs (oder Lisa Ekdahl, Charlotte Gainsbourg, Sarah June…) hätte italienisch gelernt. Erst nach und nach, in der heiser gehauchten Nostalgie von “La Sguerdo”, erkennt man Moonchy im diesmal nur leicht zum Zug kommenden Tremolieren ihrer Stimme, die von seidenen Bändern gehegt und vor dem Ausbruch bewahrt wird. Nun kommt auch Bewegung in die Songs, die mehr und mehr ihr Charisma entfalten. Es spricht aus der lasziven Funkyness von “Occasione”, aus dem variationsreichen Gesang, der sich in “In Tasca” über stimmungsvolles Balladenstrumming legt und immer wieder in exzentrische Schräglagen kippt, aus den hypnotischen Appreggios des brüchigen “Dall’ Occhio”.
Die Atmosphäre, die in “Atmosfere” besungen und beschworen wird, ist von einer sepiafarbenen Nostalgie und eignet sich perfekt, ein stilvoll eingerichtetes Café auszufüllen – die Wirkung wäre allerdings eine virale, die der Gemütlichkeit eine subtile, für Unaufmerksame kaum wahrnehmbare Brechung verleihen würde. Der freundliche Popappeal nämlich hat einen doppelten Boden, der bei zwei Avantgardisten, die ihre Wurzeln nur scheinbar verleugnen, gar nicht fehlen kann. (U.S.)
Label: Tiny Room / Hidden Shoal