EJane alias Mhysa ist Teil der Combo Scraaatch und hat auf ihrem zweiten Soloalbum “Nevaeh” eine Version des R’n'B geschaffen, die trotz einer lässigen Lofi-Produktion ein ausgesprochen schönes Sounddesign aufweist – dieses wirkt allerdings beinahe nebensächlich angesichts des wechselvollen Ideenreichtums der einzelnen Tracks, die von pathosgetränkten Clubstampfern über fein- und doppelsinnige Poesie bis zu experimentellen Soundtracks voll heftiger Noisepassagen reicht.
Mhysa scheint in den ersten Abschnitten des nach dem persischen Wort für Melodie benannten Albums auf die “seriös” anmutenden Komponenten zu setzen: Auf einer gut gestalteten klanglichen Oberfläche, auf der man bisweilen ausrutschen könnte, lässt sie ihre nie allzu aggressiv daherkommenden Gesangsparts los, hochtönend, erschöpft, entrückt und immer leicht an der Grenze zum Stöhnen und nicht selten im Einklang mit den unterlegten Synthies. Schnell wird klar, dass sich hinter all der betonten Beiläufigkeit des Gesangs ernste Themen verbergen. Vieles dreht sich um die Erfahrung, of color und queer zugleich zu sein, um ein lebensumspannendes Suchen, und sei es nach Antworten und nach Wegen der Selbstbehauptung.
Immer wieder teilt die Künstlerin Erfahrungen – echte, vielleicht auch imaginierte, die dann dennoch exemplarisch und realitätsnah anmuten. Man hat Teil an Gedanken und Ideen, fast im Plauderton vermittelt, dann ziehen gesamplete Straßenszenen ganz nah am Ohr vorbei und ziehen einen in den Schauplatz, an dem all die Erfahrungen erfolgen. Alles ist mehr Showing als Telling und jede Didaktik würde auch schlecht zu dem verspielt provokanten Zug des Albums passen, zu den abrupten und doch nie unpassenden Brüchen, den Stil-, Themen- und Tempowechseln, die es in und zwischen den meisten Stücken gibt. Manchmal werden die schönsten Melodien einfach vom Song selbst ins All oder ins Nichts gezogen.
Ihre Interpretation von “Oh When the Saints..” mag ironisch anmuten oder als Referenz auf ihre frühe Sozialisation in einem Gospelchor in Maryland, doch scheint sich mir (nicht nur) in diesem frendlichen und fast a capella beginnenden Stück eine echte Sehnsucht auszudrücken. Die passt freilich auch zu Zeilen wie “If I ruled the world/I would free all my sons” – Mhysa bedeutet in einer Fantasiesprache übrigens Mutter. Indeß, die schrägeren Elemente sind nur ein paar Takte entfernt: Dunkelrauschend führen die Wege, gesäumt von Donnerschlägen, immer mal wieder in lauten, vibrierenden Noise, der im Nu alle Wegweiser in undurchdringlichen Rauch einhüllt. (J.G.)
Label: Hyperdub