Von den drei hier versammelten Musikern muss man wohl vor allem Jac Berrocal niemanden mehr vorstellen. Lesern von Seiten wie unseren ist der aus Südfrankreich stammende Trompeter und Vocalist von seiner Zusammenarbeit mit (und Interpretation durch) Nurse With Wound her bekannt, eventuell auch durch spätere Aufnahmen mit Jaki Liebezeit oder Ghedalia Tazartes. In den beiden Klangkünstlern David Fenech und Vincent Epplay hat der heute 73jährige Berrocal ideale Partner gefunden für seine seit den 70ern entwickelte Musik, die auf den Fundamenten von Rock und Freejazz steht, aber zugleich offen ist für “Zeitgenössisches” und für einiges, was Punk und Industrial so nach sich gezogen haben.
“Ice Exposure” setzt da an, wo die drei vor fünf Jahren mit “Antigravity” einen vorläufigen Endpunkt setzten: Nächtlich anmutende Klangsettings, oft wuchtig und feinsinnig gleichermaßen, bilden die Kulisse für Berrocals schallgedämpfte Trompete, die oft wehklagend, bisweilen rasend und auch immer mal in besinnlichen Tönen sämtliche Register ihres Repertoires zieht.
In einem Stück wie “Lisiere Island” lässt ihr abgeklärtes Spiel eine fast heimelige Desolatheit entstehen, wenn sie mit dem Hauch einer weiblich klingenden Stimme verschmilzt. Doch verhindern das Dröhnen des Feedbacks und das Zischen der malträtierten Becken jedes eskapistische Abdriften in der abgedunkelten Hörspielwelt. In “Car Havana Midi”, in dem Berrocal mit hallunterlegter Stimme einen Text über Oldtimer-Autos vorträgt, bei dem Pathos und Inhalt kontrastieren, sorgen pfeifende Hochfrequenzen dafür, dass man die beschriebene Welt nicht für allzu wirklich hält. In der bissigen Satire “Blanche de Blanc” treibt eine elektronische Lärmlawine den Text über eine weißgewaschene Welt vor sich her, während Affengelächter das Ganze passend kommentiert. In manchen Tracks kulminiert die Musik in puren Noise. Mal ist es das schrille Fanal der Trompete (“Equivoque”), mal ein Strudel durcheinander gewirbelter Sounds (“Why”, “Check Sound Check”).
Doch das ist nur eine Art, wie Berrocal, Fenech und Epplay auf die titelgebende Eiseskälte reagieren, denn “Ice Exposure” hat mehr als genug feinfühlige Momente: Der verspielt-melancholische Texmexsound zur sentimental klagenden Melodie in “Salta Girls” ist beinahe so berührend wie Berrocals erschöpfte “Welcome to my destruction”-Shouts im rumpeligen Post Punk von “Sound Check”. Fast unscheinbar bildet die Interpretation von Ornette Colemans “Lonely Woman” den Höhepunkt, bei dem selbst berstendes Glas das sanfte Lamento nicht von seinem Weg abbringt.
“Ice Exposure” erschien vor einigen Monaten als LP bei Blackest Ever Black und ist nun als CD mit zwei Extra-Tracks über Klanggalerie erhältlich.
Label: Klanggalerie