LIQUIDARLO CELULOIDE: Anamnesis

Normalerweise bin ich kein Freund davon, bei einer etwas obskureren Band als erstes auf ihre Verbindung zu einem bekannteren Musiker hinzuweisen. Im Falle der peruanischen Liquidarlo Celuloide allerdings war mein erster Gedanke, dass diese Band seinerzeit Killing Joke hätte Konkurrenz machen können, bevor ich im Booklet ihres gerade erschienenen Albums “Anamnesis” las, dass Jaz Coleman die Platte tatsächlich produziert und an einigen Stücken mitgewirkt hat.

In Peru und anderen Ländern des amerikanischen Doppelkontinents sind die vier Limaer schon länger kein Geheimtipp mehr, und ihr derber Mix aus schweren Riffs, noiserockigen Feedbacks und einem vor allem in Gesang und Drumming deutliches Echo von Punk und Postpunk verschaffte ihnen vor wenigen Jahren dann auch die Gelegenheit, in ihrer Heimatstadt als Vorgruppe für Killing Joke aufzutreten. Im Grunde entstand an diesem Abend die Idee zu “Anamnesis”.

Dieses startet mit startet zunächst mit simplem, räudigem Punk, bei dem drei Akkorde Wunder wirken, aber so leicht niemand eine gößere Variation erwarten lassen. Allenfalls sind es die knapp neun Minuten Spieldauer, die dem bruitistischen “Asfixi” mit seinem rotzigen Gegröhle in Spanisch eine leichte Exzentrik verpassen, die sich dann in den folgenden Stücken stärker bemerkbar macht. “Saliva”, eine fast entspannte Midtempo-Ode an den Speichel, wäre in den 80ern der perfekte Underground-Hit geworden, aber vielleicht wäre die Vermischung mit eine, so shoegazigen Soundbild damals vielleicht als gewagt empfunden worden. Eine gewisses Flimmern und Rauschen, eine verwaschene Zerfließlichkeit auch der härtesten Sounds wie im fast metallastigen “Erupción” scheint ohnehin ein geheimes Leitmotiv zu sein, das nebenbei gut zum Bandnamen passt. Jeder der Songs lässt bewegte Bilder entstehen, Bilder von deprimierten Kopfhängern, berauschten Hedonisten und entnervten Rebellen, und diese sogleich zu scharf riechendem Brei zerschmilzen.

Jaz Coleman, der meist in die Keyboardtasten haut, steht in “Perversión” am Mikro und im Zentrum und verleiht dem Song über die Bad bad Boys eine schwermütige Coolness. Mit “Bajo el Río de Neón” zeigen die Musiker noch mal, dass sie auch ganz anders können und lehnen sich mit swaying Rhythmen auf lässigen Handdrums, die mehr als eine Brise an Dub-Feeling versprühen zehn Minuten lang etwas weiter aus dem Fenster. Der Song könnte glatt von O Paradis sein und sollte von den Katalanen gecovert werden! Alles in allem sollten Liquidarlo Celuloide aber v.a. für die ältere und jüngere Post Punk-Generation eine Offenbarung sein und wahrscheinlich auch live keine Wünsche offen lassen. (A. Kaudaht)

Label: Buh Records