VALENTINA MAGALETTI / MARLENE RIBEIRO: Due Matte

Valentina Magaletti und Marlene Ribeiro lernten sich vor einiger Zeit bei einer gemeinsamen Residenz am Sonoscopia-Institut in Porto kennen, wo sie an einem Projekt namens Hysteria teilnehmen. Hier sollte ein besonders Augenmerk auf die Idee des Weiblichen in der zeitgenössischen Musik gelegt werden. Der Begriff der Hysterie, eine psychiatrische Diagnose aus dem 19. Jahrhundert und im Gegensatz zur männlich konnotierten Neurasthenie als Frauenkrankheit verstanden, sollte dabei als Chiffre für einen bestimmten kreativen Furor gelten, ein weibliches Element, das jedem künstlerischen Prozess innewohnen muss. Aus der in diesem Rahmen angefertigten Arbeit entstand das Album Due Matte.

Da es bei derart offenen Konzepten leicht ist, sie im fertigen ästhetischen Material wiederzuerkennen, wenn man nur will, sollte dieser Überbau weniger als Erklärung, sondern als thematische Einstimmung für das vorliegende Tape gelten – eine Arbeit, die über weite Strecken viele Fragezeichen in die Luft malt hinsichtlich der Richtung, in die die Reise gehen soll.

Wenn im eröffnenden Apples from Peru metallene Schaben und Rattern subtile Takte andeutet und doch verweigert, wenn später rituelles Pochen und spannungsgeladenenes Beckenrauschen abwechselnd hypnotisch und entgrenzt daherkommen, wenn Bläserparts mit über den Boden gezogenen Blechteilen klingen, als hätte eine Darkjazzkapelle alte Tapes von Xenakis interpretiert, wenn trunkenes Spiel mit dem Tempo wie ein von Nurse With Wound produzierten Industrie-Hörspiel anmutet – bei all diesen Stationen von Due Matte ist gar nicht so sehr der sinn- und kohärenzstiftende Hörer gefragt sondern eher ein Publikum, das seine Rezeption auf Autopilot stellt und die Musik ohne krampfhafte Suche nach einem linearen Narrativ wirken lässt.

Wenn Due Matte eines nicht ist, dann vorhersehbar und ereignislos. Spieluhren und raues Geschabe, spanischer Gesang über Leierwellen, die nach Duduk oder Schalmei klingen, unbeteiligte vocals zu einem rituellen Tanz stählerner Marionetten, ein lieblicher Gesang, der in diabolisches Lachen kippt wie Wein in Essig: Immer wieder neue Ereignisse folgen recht unerwartet aufeinander oder kontrastieren auf eine Weise, dass jedes Mal überraschend neue Klangfarben entstehen. (U.S.)

Label: Commando Vanessa