Dass das englische Via Nova Ensemble ein natur- oder besser noch erdverbundenes Projekt ist, ahnt man vielleicht schon beim Blick auf die Tracklist des jüngst erschienenen Albums „Where the Marsh Plants Grow“, wo einem Titel wie „The Formulation of Vegetable Mould Through the Action of Worms“ ins Auge fallen. Mit seinen oft a capella gesungenen Stücken huldigt der in den südlich von Birmingham liegenden West Midlands beheimatete Kammerchor unter der Direktion von Dirigent Daniel Galbreath die vielfältig verschlungenen Bezüge zwischen Mensch und Ökosystem, Natur und Kultur – ein anrührend humorvolles Porträt der Region wird dabei quasi en passant mitgeliefert.
Ein besonderes Faible scheinen die Sängerinnen und Sänger für originelle Punschgetränke oder zumindest für deren Symbolik zu haben, weswegen die ersten drei Stücke „Summer Wassails“ („Sommerpunsche“) betitelt sind. Basierend auf Arbeiten der Komponistin Emily Doolittle werden mit witzig angefolktem Harmoniegesang, der Raum für kleine melancholische – oder energische – Nuancen lässt, Potato-, Blackberry- und Mushroom-Wassails besungen und gefeiert.
Die Grundstimmung des Albums ist meist heiter und lebensbejahend, was beim Thema ohnehin angemessen erscheint – man denke nur an die Verspieltheit des folkigen „Wake Robin“ oder das etherische gleitende „Adder’s Tongue“, Stücke, bei denen man an die sanfte heidnische Musik von Bands wie Orchis denken muss, auch wenn die Arbeit des Via Nova Ensemble weitaus „klassischer“ ist. Gerade auf der zweiten Seite, in den immer länger werdenden Tracks, begegnen einem aber auch einige experimentierfreundige Passagen von ordentlicher Schrägheit. „Crowfoot“ beginnt mit dem schrillen Durcheinander diverser Stimmkannonaden, das sich im Verlauf in die Harmonie eines Kanongesangs verwandelt. Mit Bläsern, Kneipengeräuschen und hexigem Geflüster entpuppt sich „The Stream“ aus der Feder des Jazzpianisten Ollie Chalk als das wohl experimentellste Stück.
Der schon erwähnte Song über das Wirken der Würmer scheint dieses mit undefinierbaren Sounds und einem wissenschaftlichen Textfragment quasi akustisch nachzustellen. Die abschließende Eigenkomposition „Rogation“ eignet fast als Making-of dieses originellen Albums, das nicht nur aufgrund seiner Kurzweiligkeit überzeugt, sondern auch weil man eine solche Mixtur aus Folk und klassischem A capella-Gesang nicht alle Tage zu hören bekommt.
Label: Focused Silence / Solanum