DAVID FENECH / KLIMPEREI: Rainbow de Nuit

Auch wenn sich David Fenechs Zusammenarbeit mit Jac Berrocal und Vincent Epplay nach mittlerweile drei Alben immer mehr wie eine gut aufeinander eingespielte Band anfühlt, bleibt der französische Instrumentalist doch ein sehr offener Charakter, was die Überblendung verschiedener Handschriften angeht. Mit anderen Worten, er kollaboriert leidenschaftlich gerne mit Kollegen aus den unterschiedlichsten Ecken meist wagemutiger Musik. Auf “Rainbow de Nuit” hat er sich erneut mit einem alten Bekannten zusammengetan, denn Christophe Petchanatz alias Klimperei spielte bereits eine wesentliche Rolle auf früheren Alben Fenechs.

Die durchweg kurzen und kurzweiligen Tracks entstanden über einen längeren Zeitraum hinweg und größtenteils in Mail Art-Manier – Klimperei, der seinen Künstlernamen nicht zu Unrecht trägt, und dessen Sounds das Album vordergründig stärker prägen, nahm eine ganze Reihe an bekannten und unbekannten Klangquellen auf: Banjos und Flöten, Akkordeon und Melodika, aber auch Spielzeuginstrumente und zweckentfremdete Objekte, die alle auf ebenso originelle wie eingängige Melodien hin zur Hand genommen wurden. Diese Aufnahmen nahm der an Musique Concrète geschulte Fenech zur Basis für allerlei Effekte von Kompression über Hall bis Spielereien mit dem Tempo und vielem mehr. Zurück bei Petchanatz verpasste der ihnen den finalen Schliff, und fertig ist eine perfekte kindliche Parallelwelt.

Dieses kindliche Element verdankt sich zwar den lachenden Kinderstimmen, die da Album in einen heiteren Rahmen packen, zum anderen aber auch den meist einfachen Tonfolgen, bei denen man immer wieder irgendwelche bekannten Songs wiederzuerkennen meint und schnellins Rätseln kommet, welche das sein könnten. “Tarzan en Tasmanie”, das die Platte eröffnet, enthält neben seiner leicht orientalisch eingefärbten Melodie auf einem undefinierbaren Instrumentarium und den heiteren Rasseln und Handclaps bereits die ganze liebenswürdige Schrägheit von “Rainbow de Nuit” im Kleinen. Weiter geht es mit kindlichen Tuten über drängenden Gitarren und allerlei Geklapper, bei dem man meinen könnte, die Gnostic Gnomes wären mal wieder aus ihrer Höhle gekrabbelt.

An Stilzitaten ist das Album nicht gerade arm, und ein Schwerpunkt bilden chansonhafte Melodien, die besonders in “Septième Ciel” und “Rugit le Coeur” eine melancholische, streckenweise mittelalterlich anmutende Stimmung erzeugen – freilich nicht ohne deutliche Brechung mittels Sounds, die an eine Schreibmaschine erinnern, und verschiedenen Blasinstrumenten, die mal an eine quäkige Spekunkenstimme, mal an einen folkig-spröden Sopran erinnern. Zirkus- oder Jahrmarkts-referenzen wie im Titelsong bilden einen weiteren Schwerpunkt, und in all dem verqueren Soundgemich, zwischen metallenem Klappern und Klimpern, zwischen wuchtigen Beckenschlägen in “Levy Attend” und heftigem Geflatter im psychedelisch gebrochenen Bossanova von “Un Cercueil á Deux Places”, das wie die verzweifelten Flugversuche eines angeketteten Vogels klingt, überwiegt das Liebliche der Spieluhren und Triangeln, der smoothen Saxophone und hochtönenden Saiten.

Doch als hätte man den hellen Tag vor dem finsteren Abend gelobt, leutet “Eno Ennio” das retardierende Moment ein: Furchteinflößendes Murmeln und nervtötendes Gequietsche walzen das ohnehin viel zu stoische Saitenspiel platt, und erst mit der Zeit wird klar, dass auch das nur die Puppenhausvariante von Furcht und Unheil ist. Die liebliche Renaissancemelodie des abschließenden “Madrigal for Lola” lässt daran keinen Zweifel und das letzte Wort hat ohnehin wieder das fröhliche Kind: Fini! Alle Unklarheiten beseitigt? Natürlich nicht, und wie könnte das auch sein bei einem Album, dessen Titel schon mit gespaltener Zunge von der Quadrarur des Kreises spricht? (U.S.)

Label: Marionette