LANGHAM RESEARCH CENTRE: Tape Works, Vol. 2

Das vom Namen her wie ein Institut klingende Langham Research Centre ist eines der profiliertesten Musique Concrète-Ensembles Großbritanniens und der Welt. In der Tradition des BBC Radiophonic Workshop produzieren die Mitglieder Felix Carey, Iain Chambers, Philip Tagney und Robert Worby seit fast zwanzig Jahren Musik mit altem Equipment wie Reel-to-Reel-Tapes, die bereits zum “Gesicht” der Band wurden, und dies meist im Rahmen von Aufführungen, bei denen Architektur und Akustik ausgewählter Orte und der Einbezug weitere Musiker eine wichtige Rolle spielen.

Erst vor wenigen Jahren wurden Studioarbeiten wichtiger, und 2017 entstand mit “Tape Works, Vol. 1″ ein hörspielartiges Album mir Soundminiaturen auf der Basis analoger Elektronik und einer Vielzahl weiterer klangerzeugender Objekte. “Vol. 2″ knüpft mit sechs neuen und diesmal ausladenderen Kompositionen daran an. Alle Aufnahmen wurden in spezifischen Gebäuden, vornehmlich in England und Frankreich, gemacht, die dem sogenannten Brutalismus zugerechnet werden und aus sichtbarem Beton gebaut sind – ein Aspekt, der natürlich auch den Begriff Musique Concrète eine doppelte Konnotation gibt.

“Zugzwang”, das wohl eine Soloarbeit Chambers’ ist, beginnt mit leicht perkussivem Rattern und Schaben meist metallener Objekte, die mal tastend, mal dynamisch losbrechend ihren Bestimmungen folgen. Doch recht bald bereiten Effekte, die deutlich in Tempo und Richtung eingreifen, dem rein dokumentarischen Ansatz ein Ende. Wahrscheinlich wäre der so entstandene Klangstrudel noch verstörender, wüsste man weniger über die verwendeten Klangquellen und Bearbeitungstechniken. Oft nur angedeutet bedrohliche Szenarien, die sich im leisen Knistern über schleifenden Sounds immer wieder annähern und zurückziehen und sich am Ende in atemlosem Hecheln deutlicher offenbaren, demonstrieren ein ebenso gutes Händchen für subtile Dramatik wie die plötzlich einbrechende infernalik im anfangs eher gemächlichen Narrativ des Tracks “Nachholbedürfnis”.

Die Stücke der zweiten Seite zeigen eine noch opulentere Seite und bleiben doch ungreifbar, wie beim in der Turbinenhalle des Londoner Tate Modern aufgenommenen “Terminal Voltage Traces” mit seinen plötzlich einbrechenden Distortions über “organisch” anmutendem Knistern. In “Return to Spacial Futures”, das an mehreren Pariser Gebäuden u.a. von Le Corbusier aufgenommen wurde, entfaltet sich im Vorbeigehen an Fenstern, Türen und Straßenecken ein Narrativ, bei dem klassische Instrumente aus einem nahen Lautsprecher, ein Countertenor (?), angeregte bis forsche Stimmen und Sinusklänge für eine chaotische Dynamik sorgen, bis ein französischer Vortrag ganz zufällig ein eine Art “Making of” daraus macht.

Ein interessantes Palimpsest und somit zugleich Highlight und Bonus stellt “Dinotique” dar, das wie ein szenischer und von spontanen Wendungen geprägter Dialog um einige Auszüge aus Luc Ferraris Spätwerk “Les Anecdotiques” (2002) herum gebaut wurde. Ein abgehacktes Stimmfragment, vielleicht Ferrari selbst, besteht gegenüber einer Soundkulisse, die wie Straßenlärm und Maschinenpark zugleich klingt und vom LRC vermutlich am Barbican Centre in London aufgenommen wurde, doch schon bald versinkt alles im Strudel eines anekdotischen Hörspiels mit ungeahnter Richtung.

Diese Inszenierung des “Ungeahnten” zeigt eine besondere Stärke des Kollektivs und passt bestens zu den vielen Lücken und Leerstellen, die solche Aufzeichnungen bestimmter Umgebungen zwangsläufig mit sich bringen und die Rezeption zu einer besonders kreativen Angelegenheit macht. Bei den Vorbereitungen zu “Tape Works, Vol. 2″ ist viel Material angefallen, das keinen Weg in die fertige Komposition fand und bereits – mehr dazu bald – und eine weitere interessante Arbeit hervorgebracht hat. (U.S.)

Label: Nonclassical