Madrelarva ist das seit gut fünf Jahren bestehende Projekt des in der Region La Mancha lebenden Julio Tornero, der unter beiden Namen (und in seltenen Fällen auch als Sequences Binaires) bereits eine üppige Diskografie vorweisen kann und unter seinen an linkshändiger Elektronik und wagemutigen Klangkollagen interessierten Landsleuten längst kein Unbekannter mehr ist. Dieses Jahr sind mit dem rein digital veröffentlichten “Corona Zenit”, der LP “Palingenisia” und dem Tape “Liminal Works” bereits drei Longplayer erschienen, und v.a. letzteres sollte ihm auch in unseren Gefilden mehr Bekanntheit einbringen.
Der Druck auf die Play-Taste wirft die Neugierigen gleich m.o.w. in die Mitte des Geschehens, das sich zunächst als spannungsgeladenes, wenn nicht bedrohlich anmutendes Knarren und Brummen erweist, bei dem die Asoziation zu Migräne für ambivalente, wenn nicht perverse Wohltat sorgt. Sind es verfremdete Glöckchen, die im Hintergründ bimmeln und glühen und – so viel Klischee muss einfach erlaubt sein – in der postindustriellen Ruine die Spur eines fast folkigen Ritualismus deutlich werden lassen? Es sind Stellen wie diese, die mir die frühen Tape-Arbeiten von Yannis Xenakis (“Persepolis”, “La Légende d’Eer”) in Erinnerung riefen.
Tornero scheint ein Meister des Gegenüberstellens – atmosphärisches Oszillieren vom Niederdrückenden ins Kraftvolle, verfremdete Chöre oder dergleichen, die mit eisigen Takten, untoten Reminiszenzen an seine tanzbareren Arbeiten, kontrastieren – ohne diese Kunst zur Masche zu erheben, denn ebenso stark setzt er auf Komponenten, die wie füreinander gemacht scheinen (z.B. aufwühlende, bläserartige Synthies, hinter denen ein unheilvoller Wind tost). Hat man sich erst mal mit der Unbewohntheit des Settings von “Liminal Works” angefreundet, meldet sich die menschliche Stimme doch noch zu Wort, vermutlich gesamplete Spoken Words, die im Track “Nerval” einen Textauszug (von Nerval?) vortragen. Auf ganz andere Art wirkt der Schlustrack “Resol” mit seinem beatlosen und zugleich beängstigend tanzbaren Rhythmus wie ein einziger Schrei.
Das Label empfielt das Tape, dessen Geschichten wohl das Leben geschrieben hat, an Fans der Musik von Nocturnal Emissions, Nurse With Wound oder Aaron Dilloway, was der Offenheit Madrelarvas Rechnung trägt. Mehr zu Torneros Arbeiten schon bald auf diesen Seiten.
Label: Cønjuntø Vacíø