Im Werk Julio Torneros scheinen Reflexionen an der Schnittstelle von Esoterik und Metaphysik eine Rolle zu spielen – Reflexionen, die allerdings vage bleiben, da Textliches in seiner Musik seit dem Ende von songorientierteren Projekten wie Antiguo Régimen keinen sehr zentralen Stellenwert mehr haben und sich oft nur in den andeutungsreichen Titeln von Alben und Tracks äußern. “Palingenisia”, das fast zeitgleich zu seinen unter dem Namen Madrelarva veröffentlichten Alben “Liminal Works” und “Corona Zenit” erscheint, ist nach einem Wort benannt, das in verscheidensten Zusammenhängen eine Wiederbelebung (der Seele nach der Taufe oder auch einer Wiedergeburt, der Welt durch den Beginn eines neuen Zyklus) bezeichnet, die in Form einer Verwandlung vonstatten geht.
Hat “Palingenisia” den Sound der wiederbelebenden Metamorphose? Sicher nicht, denn so klar lassen sich Ideen bekanntlich nicht in ein ästhetisches Medium übertragen, doch die vier Tracks sind kraftvoll genug, um zur Vorstellung eines Erwachens zu neuem Leben zu passen. Wer Torneros weniger tanzbare und tendenziell soundorientierte Arbeiten mit Madrelarva kennt, mag sich über den straight repetitiven Rhythm Noise des Openers “Zonasgrises” wundern, dessen Brachialität eher in das Setting eines Betonbunkers passen würde als in einen hallastigen Club. Vielleicht auch, weil ersteres eher zur im Titel genannten Grauzone passt, die sich musikalisch am ehesten in der Überblendung der Beats mit einem mysteriösen hintergründigen Wabern ausdrückt.
So wichtig die Rolle der Repetition in “Palingenisia” ist, so unterschiedlich sind die einzelnen Rhythmen beschaffen. In “Modo de Volar” beschränken sie sich auf fast minimalistisches Pochen, hinter dem die Synthparts noch wuchtiger wirken, wenn sie für aufgeregte Stimmung sorgen. Am Ende mag man sich wie ein orientierungsloser Affe fühlen, doch im fast nahtlos anknüpfenden “Posición” geht die Bewegung in ähnlicher Dynamik weiter, und ähnlich wie bei Sonar und den lärmigeren Arbeiten von Esplendor Geometrico kann man seinen Körper dabei auf Autopilot stellen – bis die Illusion von versteckten Megaphon-Shouts die Aufmerksamkeit an sich reißt. In “Malkuth” entfaltet sich auf gut drei Minuten ein verspielt-tänzelndes Szenario, das viel leichtfüßiger ist als die gebrochenen Rhythmen über dem acidlastigen Brodeln in “Mar roja” und anderen Tracks. Fast scheint es, als werde dies in (dem ebenfalls auf den Lebensbaum des Zohar referienden) “Kether” wieder aufgegriffen und durch kosmisch anmutendes Kreisen zum Abheben gebracht.
“Biomecanismos” ist das wohl wandlungsfähigste Stück, beginnt mit einem Rattern, der an Presslufthammer erinnert und endet mit einem fast groovigen Sound, der dann tatsächlich etwas ganz neues entstehen lässt und auf den finalen “Danza Terminal” vorausweist. Mission geglückt. “Palingenisia” sei allen ans Herz gelegt, die der Verknüpfung aus technoiden Industrial- und Elektro-Klängen mit einem magischen oder mystischen Überbau mehr abgewinnen können als ambientem Ritualsound und vielleicht schon Torneros katalanischen Kollegen Coagul für sich entdeckt haben. (U.S.)
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