Flesh Prison ist ein noch junges, selbstorganisiertes Label, das nach einem Umzug aus LA nun in Kanada ansässig ist. Minimal Synth und rezitative Spoken Words-Arbeiten gehören ebenso zu ihren Markenzeichen wie ein Hang zu Occulture und einer anarchischen Queerness fernab gängiger Klischees. All dies ist in seiner Ernsthaftigkeit weit entfernt von nerdigen Hipsterflausen und könnte aufgrund seiner offenen Art doch an vielen Stellen andocken.
Mit dem Sampler “…The Wild World Itself Is Holy” feiern sie all das und bieten einen Querschnitt ihrer meisten Acts. Wenngleich das Label relativ jung ist, wartet die Sammlung mit einigen altgedienten Hochkarätern auf, und das gleich zu Beginn. Über Soundschichten aus desolatem Schaben und Dröhnen eröffnet der in allen erdenklichen Sparten aktive “occultural entrepreneur” Carl Abrahamsson die Sammlung mit einer Spoken Words-Passage aus seinem kommenden Album, in der es anscheinend um alles geht. Zwischen Poesie und Sermon bewegt sich auch der von Genesis Breyer P-Orridge vorgetragene Text von Thee Majesty, bei dem über Glocken, Rasseln und gesampleten Sounds die Frage nach dem Zyklus von Geburt und Tod und der Suche nach Substanz und Essenz gestellt wird.
No Master, No Servant aus dem direkten Umfeld des Labels sind mit einem Track in der Tradition alter Industrial-Urgesteine vertreten, bei dem eine vom Wind verwehte Stimme aus einer anderen Welt auf minimalistische Takte trifft. Letztere sind auf der Sammlung keine Seltenheit: Staccato Du Mals “Within” und “Cyborg Democracy” von Das Ding sind futuristische Nostalgie pur im Sinne des 80er Minimal Wave und hätten auf einen der vor zwanzig Jahren beliebten Banshee-Sampler gepasst. Chandra Shukla alias Xambuca, ein Musiker aus dem Psychic TV-Umfeld, greift einen solchen Minimalismus auf und transformiert diesen zu einer elektrifizierten, geisterhaften Pantomime. Cipolla Varieté dagegen nimmt in seinem Ohrwurm minimale Takte zur Grundlage eines räudigen musikalischen Roadmovie, zumindest legt seine Stimme voll Whiskey und Tobak eine solche Assoziation nahe. Mein persönliches Highlight ist Silent Servants “Still Life”, dessen dezente, untergründige Loops und die trockene Flüsterstimme eine derart intensive Stimmung erzeugen, das man kaum sagen kann, ob sie wirklich so stoisch abgeklärt ist, wie sie vordergründig scheint. Parade Grounds Pophit “Moans”, holt einen mit plastischen Synthies, wie man sie vielleicht von Talk Talk kennt, wieder auf den Boden zurück.
Wieder sind es die älteren Semester, die auch in der zweiten Hälfte der Compilation stilistisch herausstechen, so Bourbonese Qualk mit ihrer schrillen und frickeligen Freakshow “Bethlem” und die dem Dunstkreis der Genialen Dilettanten entstammenden Sprung Aus Den Wolken, deren “Que Pas” mit seinem hypnotischen Geschrammel fast so etwas wie Zufallsneofolk avant la lettre ist. Die Sahnehaube freilich gibts ganz zum Schluss, denn Black Leather Jesus lassen mit ihrem siebenminütigen Noise-Prasseln keine Fragen mehr offen.
Label: Flesh Prison