Wie eine wuchtige Maschine, die mit quietschendem und ratterndem Getöse große Rollen über metallene Objekte walzen lässt, startet dieses Album, das nicht nur aufgrund seines Titels die Assoziation zu einer obskuren apokalyptischen Dystopie voll organischen Horrors nach Art von David Cronenberg nahelegt. Durch die zwei ausladenden Soundscapes, die die beiden italienischen Combos zusammen auf die Beine gebracht haben, zieht sich eine Dunkelheit, die man sich am besten in einem mit Schrotteilen übersähten unterirdischen Komplex vorstellen kann, dürftig ausgeleuchtet in einem expressionistischen Zwielicht.
Die heute zwischen Mailand und Großbritannien verstreut lebenden Sigillum S und die in Rom gegründeten Macelleria Mobile di Mezzanotte, kurz MMM, entspringen zwei Generationen italienischer Undergroundmusik und stehen in der oberflächlichen Wahrnehmung für eine recht unterschiedliche Musik. Während Sigillum S mit rituellen Klängen die Welt des Industrial aufmischten und später vielen als Vertreter ambienter Elektronik gelten, erarbeiteten sich MMM in den letzten Jahren mit einer etwas schrägeren Variante dessen, wofür Acts wie Bohren & der Club of Gore berümt wurden, das Label Dark Jazz. Gründer Adriano Vincenti ist jedoch ebenso ein Kind des Industrial und betreibt bis heute das krachige Soloprojekt Cronaca Nera. Der Name referiert auf die italienische Übersetzung von Clive Barkers Meat Train und wurde nach eigener Angabe wohl durch die Menschenmassen inspiriert, die nachts aus den römischen U-Bahnen quellen.
Es ist nicht immer leicht zu erkennen, welche Details hier auf wen zurückgehen, und man ist schnell geneigt, “Blues and Doped Flowers…” wie das Werk einer einzelnen Band wahrzunehmen – zumindest die gedämpften Bläser, die mit Besen gestreichelten Becken und der Zeitlupengroove von MMM treten nur gelegentlich etwas deutlicher auf die Bühne. Ein Großteil der Musik ist null smooth, und selbst wenn nach einiger Zeit etwas mehr Schwung in die Szenerie kommt und angejazzte Takte zu hören sind, erinnert das an einen Catwalk mit räudigem Schuhwerk inmitten einer ungemütlichen Halle voll mit Sägespänen und Schutt.
Hat man sich an die Unaufgeräumtheit gewöhnt, fallen immer mehr meist desolate Melodien auf, erzeugt von Bläsern und Synthesizer und wie gemacht für einen nächtlichen Roadmovie. Und haucht da nicht sogar kurz eine menschliche Stimme? Ein Trugbild, fürchte ich, das den Hörer wie vieles andere in eine investigative Position bringt. Im Verlauf der beiden Tracks zeichnen sich durch deutliche Breaks oder subtile Änderungen der Gangart immer wieder separate Abschnitte ab, mal heimelig, so dass man fast einen klassischen Song erwartet, mal stampfend wie der Beginn einer düsteren Clubmusik. Leicht nachhängende Takte leiten über in abstraktere Soundscapes voll Klirren und Scheppern, rituelle Monotonie wiederum bildet das Vorspiel zum schleppenden, fast rockigen Finale, das einer No Wave-Platte zur Ehre gereicht hätte.
Am Ende kann man kaum sagen, welche der beiden Bands besser herauszuhören wäre, was gerade bei der über die Jahre sehr wechselhaften Musik von Sigillum S ohnehin nicht so leicht wäre. Weit wichtiger und auch deutlicher ist die Vielfäligkeit der Ideen, die sich in diesem posteschatologischen Thriller finden. (A. Kaudaht)
Label: Subsound