Wenn im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie von Haustieren die Rede war, ging es meist darum, das vor allem alleinstehende Personen sich zum Vertreib der einsamen Zeit einen Hund oder eine Katze “zulegten”– eigentlich eine nette Sache, aber man rechnete natürlich schon damit, dass bei einem Ende der Situation so manches Tier wieder im Heim oder gar auf der Straße landen könnte. Eine andere Kehrseite dieser Situation besteht darin, dass viele Tierheime, die bislang ganz gut von Spenden leben und wirtschaften konnten, nun aufgrund der in vielen Ländern auch finanziell angeschlagenen Situationen unter einem immensen Spendenrückgang leiden müssen.
Der schottische Musiker Grey Malkin und der belgische Radio Host Sven Visterin – hier seine Mixcloud-Sendung Horny Hour – hörten beide in ihrer jeweiligen Umgebung von verschiedenen Cat Shelters, die derzeit unter finanziellen Probleme leiden und entschieden sich kurzerhand, eine Charity-Compilation zu kuratierten, deren Erlös den entsprechenden Einrichtungen zugute kommen soll. Da beide leidenschaftliche Grenzgänger zwischen alternativem Folk und dunkler experimentierfreudiger Klangkunst sind, ist dabei eine großartige Sammlung von 21 Tracks herausgekommen, die man gerade unseren Lesern nicht vorenthalten sollte.
Wenn man vorausschickt, dass einerseits gemütliches Schnurren und auf der anderen Seite pastorale Gitarren zu den Leitmotiven der Sammlung zählen, soll dies keineswegs die Vielgestaltigkeit der Beiträge unterschlagen – man denke nur an den schlummernden Dreampop von Pefkin, den postpunkigen Tanzflächenfüller von True Zebra oder den Goth-angehauchten gläsernen Darkpop von Euphemia Rise, ganz zu schweigen von der 80slastigen Kollaboration zwischen Pulselovers, Harriet Lisa und John Alexander.
Einige Beiträge frönen den Drone-Künsten, allen voran die aufgerauhte Rauschorgie von The Floating Worlds “Kasha” und das kurze aber intensive Sackpfeifenstück von David Colohan. Wie schon erwähnt verwenden einige die Aufnahmen des typischen Katzenschnurrens – Ashtoreth und Othello (bei dem es sich wahrscheinlich um Ashtoreths vierbeinigen Kumpel handelt) kreieren daraus eine anheimelnde Klanglandschaften nach Art der Continuous Music, Traumasutra steigert dies zu purem Noise und Zool kontrastiert es ganz verspielt mit Glöckchen und einem asiatisch klingenden Saitenspiel. Die mir bislang völlig unbekannten Orryelle und Evan FluX steuern ein dramatisches, geradezu kämpferisches kleines Hörspiel in zwei Teilen bei, Datalek eine Kollage aus Field Recordings und auch Dark Leaves’ instrumental gehaltener Beitrag, der nach einem zerfledderten Akkustik-Intro mit schweren Gitarren den Doomsday einläutet, zählt hier auch eher zur experimentellen Riege.
In den textorientierten Stücken sind die Katzen natürlich die Hauptfiguren, sie erscheinen als unabhängige Abenteurer, als märchenhafte Freunde, Helden und Idole, aber auch als schutzbedürftige, oft kindlich wahrgenommene Wesen, und oft scheint es um die Erinnerung an persönliche Erlebnisse zu gehen. Wer den Songschreibern die Vermenschlichung der Tiere ankreidet, hat den mächenhaften Charakter dieser Geschichten nicht verstanden. Viele dieser Songs haben einen unterschiedlich stark ausgeprägten Folk-Charakter wie die tremolierende Ballade von Kitchen Cynics, das anrührende Stück von Moth Paw, das Folkrockstück von The Rowan Amber Mill und Alula Downs quirliger Song mit Harfe und gehauchtem Folksopran.
Wenn ich ein paar Wegmarken hervorheben müsste, so wären es neben Adam “Trappist” Coles fast heiterem Gitarrenstück “Summer Fallows” – einem Song aus den Sessions zum bald erscheinenden Solodebüt – schon mal die beiden Kollaborationen von Grey Malkin. Zusammen mit Raya Schaduwjaagster von den Belgischen Dark Poemsentstand ein fantastischer Folkscore mit Pauken, Synthies und Kinderreimen, zusammen mit Michael Warren der von cinematischen Spannungsmachern nur so strotzende Song “Lucifer Sam”, der die Geschichte einer verwegenen Hausgemeinschaft erzählt.
The Thepaphones kammerelektronische Interpretationen von Charles Baudelaires “Le Chat” steht dem in nichts nach, doch ich schließe mit meinem absoluten Favoriten: Alison O’Donnels von Flöten begleitetes Shanty “The Last Adventure of Mrs Chippy” ist in seiner melancholischen Einfachheit einer der großartigsten Songs der letzten Jahre – Kate Bush sollte ihn covern, aber das käme immer noch nicht ans Original heran. Selbstverständlich gilt “Lost in Catland” unsere Empfehlung. (U.S.)