In den Epen Homers wird Eos als die rosafarbene Göttin der Morgenröte beschrieben, deren Strahlen sich im Kontakt mit der Welt der Dinge zunächst in orange und blau, dann immer mehr in verschiedene Farbtöne auflösen. Als Sandro Mussida im letzten Sommer mit seinen Begleitern Alessandra Novega und Edgare Barlassina die Kirche S. Giusto im toskanischen Volterra aufsuchte und zum Aufnahmeort auswählte, hatte er eine Musik der kleinen Details, der Nuancen und Klangfarben im Hinterkopf, bei der sich die Timbres der drei Instrumente – die mit einem Bogen gespielte elektrische Gitarre, der Cello und die Bassklarinette, und alle in einer spezifischen Gestimmtheit – immer wieder überlappen und die Illusion einer Einheit hervorrufen, und bei der die einzelnen Komponenten durch die nachträgliche Bearbeitung, aber auch durch die akustischen Gegebenheiten des Ortes, ihre Konturen bestmöglich zeigen.
Die Ideen zu “EEEOOOSSS” reiften schon lange in den Überlegungen Mussidas heran, doch erst beim Spielen war entgültig klar, dass diese Wirkung nur in einer langsam und bewusst gespielten und gehörten Musik vollends realisierbar ist – einer Musik, bei der Musiker und Rezipienten weniger emotional involviert sind und gerade deshalb die Klänge näher an einen heranrücken.
Aus den initialen, sehr organisch anmutenden Töne der Bassklarinette im Opener “EEE”, die kurz darauf von den kleinen hellen Klangfäden der Gitarre umwunden werden, entsteht mit der zeit eine wellenhaft wabernde Bewegung, die tatsächlich schnell eine äußerst intime Atmosphäre erzeugt, die sich noch steigert, wenn die Sounds immer mehr zu einer sanften Melange verschwimmen und lange vor dem Fadeout immer mehr ihres Volumens abgeben. Das hellere “OOO” hat mit seinen klingenden und pfeifenden Obertönen mehr Melodie und hat, klischeehaft gesprochen, durch seine harmoniche Dröhnung einen fast kosmischen Unterton. Im Laufe der knappen Viertelstunde verändert sich in der Sequenz nur wenig, was zur Intention des Nicht-Involviertseins passt, doch umso mehr Kleines ereignet sich im Detail und durchkreuzt jede Illusion einer perfekten Wiederholung. Das die ganze zweite Seite füllende “SSS” ist das einzige sich in Fülle und Volumen zumindest leicht steigernde Stück, doch hier wird das wellenförmig dröhnende Fundament immer wieder durch hintergründiges Saitenspiel auf der Gitarre und kernige Cellostriche durchbrochen.
Es ist schwer, die Musik auf “EEEOOOSSS” zu beschreiben, ohne den viel strapazierten Begriff des Meditativen zu vermeiden, denn was bei entsprechender Aufmerksamkeit hier geboten wird, ist eine ungemein direkte, bewussten und detailfokussierte Musikerfahrung.
Label: SOAVE Music