In den vergangenen anderthalb Jahren gab es genug Anlass, sich über Gefühle der Isolation Gedanken zu machen. Wie fühlt es sich an, auf zahlreiche soziale Gewohnheiten zu verzichten, weil man es muss, auch wenn man mit all dem zuvor viellecht selbst noch gehadert hat? Viele Formen großer und kleiner Geselligkeit sind einem vielleicht gerade aufgrund ihrer Allgegenwart nicht einmal als solche aufgefallen, bis einem die durch Covid 19 ausgelösten Beschränkungen auf die eigene kleine Spähre zurückgeworfen hat – eine Sphäre, die man allenfalls mit wenigen teit.
Zurückgeworfen auch auf Tätigkeiten, die man bislang vermieden hat oder erst zu würdigen lernen musste. Für viele waren die Erfahrungen der jüngsten Zeit letztlich immer noch zu verschmerzen und doch eine Art Schwellenerlebnis, durch das man Seiten seines Lebens oder seiner Art zu leben komplett neu erfinden konnte, und es ist wohl eine Persönlichkeitsfrage, wie konsequent sich irgendwelche Veränderungen erweisen, und wo man in näherer Zukunft vielleicht wieder in alte Muster zurückfallen wird.
Wie für viele Künstler waren die vergangenen Monate auch für die in Berlin lebende Klangkünstlerin Jana Irmert eine Zeit des einsamen Schaffens, die im konkreten Werk Früchte trägt. Ihre vor einigen Monaten erschienene EP “Erything Minus All”, die ursprünglich den Titel “Note on Compassion” tragen sollte, ist aber auch die direkte Frucht tiefer Reflexion über die auf einmal so relevanten Fragen von Isolation und Verbundenheit – eine interessante Information, die trotz der eher abstrakten Machart der Komposition doch mehr als Trivia ist, setzt sie die Musik doch in einen ganz bestimmten Kontext, der dem Hörerlebnis weitere Bedeutungsnuancen verleiht.
Recht zu Beginn bereits macht sich ein schwermütiger Ton in den repetitiven, hochdröhnenden Klangfolgen bemerkbar, mehr noch später in den subtilen Melodieansätzen, dem mollasigen Auf- und Abebben wellenförmiger Gezeiten und dem leisen unterirdischen Brodeln und Rumoren. Bis dahin haben sich Fülle und Intensität des Klangmaterials gesteigert, doch weniger in Form einer Veränderung des Settings, sondern um das Vorhandene peu a peu immer deutlicher hervorzuheben. Mit der Zeit zeichnet sich immer mehr Dramatik ab, luftiges Rauschen, “dezenter” Lärm verhindern das Aufkommen jeder meditativen Ruhe, lassen ihre Notwendigkeit aber umso deutlicher werden, einzelne Tonfolgen ragen bisweilen hoch ins Reich der Fragen.
Auf diese Art ist “Everything Minus All” alles andere als leichte Muse, aber gerade deshalb eine notwendige Reflexionsübung, bei der sich alles um das ambivalente “nichts” des Titels zu drehen scheint. Die EP erscheint digital bei Fabrique Records, die bereits ihr Debütalbum herausbrachten. Weitere Neuigkeiten über Jana Irmerts aktuelle Arbeiten gibt es schon in wenigen Tagen auf unseren Seiten. (U.S.)
Label: Fabrique Records