Die zahlreichen Klänge, die BJ Nilsen, der älteren Semestern noch von seinen Projekten Morthound und Hazard her bekannt sein könnte, auf “Irreal” zu einem dichten, feinmaschigen Gewebe zusammengefügt hat, wurden in den letzten Jahren an unterschiedlichen Orten der Welt von Westeuropa bis Ostasien aufgenommen. Im Rahmen des Albums jedoch, das als dreiteilige, dröhnende Suite konzipiert ist, werden sie zur Soundkulisse eines ganz eigenen, dem Titel entsprechend imaginären Schauplatzes.
Dieses Setting erinnert an vielen Stellen an eine vom Wind durchwehte Rumpelkammer, in der es in allen Ecken knallt und knackt und rumpelt, unheimliches Schaben und Kratzen (an der Tür?) macht sich kurz bemerkbar, ähnlich etwas, das eine menschliche Stimme sein könnte, doch genau weiß man das nicht: Alle Sounds, die im Opener auftauchen, die manchmal ganz im Zentrum des geschehens stehen, dann wieder in voluminöser Dröhnung verschwinden, bleiben seltsam ungreifbar, da sie so kunstvoll miteinander vermengt sind. Irgendwann fällt auf, dass die Klangfolgen repetitiver, hypnotischer geworden sind, und ein fast meditativer Wahrnehmungsmodus stellt sich ein und lässt auch abrupte Detonationen gegen Ende anders hören.
Das folgende “” beginnt mit einem sanften Schwebedrone, doch dass hier eine generell einlullendere Stimmung vorherrscht, kann ebenso von dem zunächst fast heimeligen Regenschutt herrühren, dem quietschende Möwen zusätzliches Kolorit verleihen. Doch mit der angenehmen Regression ist es bald vorbei, denn fast unmerklich zunächst steigert sich dar Schutt in ein sintflutartiges Chaos, in welchem die Zivilisation – zumindest suggerieren verzweifelte Schreie und dramatisches Rumpeln dies – recht abrupt “rückgebaut” wird. Kaum jemand würde es Nilsen übelnehmen, wenn alles in purem Lärm enden würde, aber hier wird auf einen offenen, trotz hochfrequenter Fiepstöne ambivalenten Schluss gesetzt.
Das abschließende “Beyond Pebbles…” erstreckt sich über eine halbe Stunde, und lässt sich folglich mehr Zeit im Aufbau. Einmal mehr macht die langsam wellenförmige Dröhnung, was sie besonders gut kann, nämlich die angefixten Ohren angenehm in Watte packen. Erst nach einer ganzen Weile hört man, wie schwere Türen quietschend und knarrend geöffnet werden, und aquatische Sounds machen sich breit. Die Situation würde manch einen an Nurse With Wounds himmlische Salzmarie erinnern, wären dan nicht die Vögel und anderen Tierstimmen, die die apokalyptischen Szenerie gleichsam parodieren.
Und wieder fällt das Ungreifbare dieser drei Suiten ins Auge, das Anfang und Ende sein könnte und ernste Dramatik ebenso wie Humor umfasst. Wenn sich kurz vor dem leise verebbenden Schluss noch einmal die krachenden Gezeiten laut aufbäumen, kann man sich eine Welt ohne Sintflut – ob real oder irreal – kaum noch vorstellen. (A.Kaudaht)
Label: Editions Mego