Das japanische Avantgarde-Duo group A ist nicht nur in den letzten Jahren äußerst produktiv gewesen, wo es neben verschiedenen Releases noch die Multimediale Show “anOther” gab, die seit ihrer Premiere einiges an Aufsehen erregte. Group A haben schon immer ausgiebig gejammt und so füllten sich ihr Archiv mit vielen rohen Soundskizzen. Auf der Veröffentlichung “NO Recordings” wurden erstmals eine Auswahl dieser Aufnahmen einem guten Zweck zur Verfügung gestellt.
Ursprünglich war keine Fortsetzung der Outtake-Sammlung geplant, und für vorigen Sommer, genauer den Jahrestag der Atombomben-Abwürfe in Hiroshima, planten die beiden, eines ihrer jährlichen Konzerte zur Erinnerung an das Verbrechen zu spielen. Die Corona-Pandemie machte dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung, und so entschieden sie sich um und stellten „NO Recordings“ einen zweiten Teil zur Seite. Und da die jährlichen Konzerte auch immer eine gemeischaftliche Angelegenheit mit anderen japanischen Klangkünstlern war, bat man kurzerhand eine gute Handvoll an Freunden, ebenfalls ihre Archive zu öffnen und knarziges Rohmaterial zu „NO Recordings II“ beizusteuern, was damit eine richtige Compilation geworden ist. Und das ist nicht der einzige Bezug zum ursprünglichen Plan.
Auch wenn lärmendes Getöse eines der verbindenden Elemente unter den einzelnen Tracks ist, ist das Resultat doch weit mehr als Noise, denn die Bandbreite reicht von Neuer Musik nachstehenden Arbeiten mit Stimme und Piano über Sample-Kollagen und imrpovisiert wirkende Elektronik bis hin zu hörspielartigen Szenarien. In diese Richtung gehen gleich die beiden Tracks der Kuratorinnen selbst, allen voran das eröffnende „Shiroi Niji“, das mit mysteriösem Schaben und Kratzen, basslastigem Gewummer und quietschenden Instrumenten eine cinematische Spannung evoziert. Ähnlich, aber noch um einiges düsterer und surreal verdrehter ist ihre Hommage an Shōhei Imamuras Film Kuroi ame (Schwarzer Regen, 1989). Die undefinierbare Soundkollage, die wahrscheinlich unscheinbare Samples aus dem Film verwendet, ist ähnlich bedrückend wie die Stimmung des Films selbst, der desolate, schockartige Motive in ein alltägliches Geschehen baut, um die gesundheitlichen und sozialen Folgen der Atombombenwürfe für die Überlebenden zu zeigen.
Der in London lebende Sound Artist Kenichi Iwasa hat einen Mitschnitt einer alten Jam Session mit elektronischen und akustischen Klangquellen beigesteuert, ein raues, grobkörniges Stück, das Raum für ein paar heimelige Glöckchen lässt, in einem weiteren Track geht er zumindest dem Anschein nach in die Gegenrichtung und dekonstruiert ein smoothes Barmusik-Szenario mit Piano und Streichern, die sich im Rauschen auflösen. Bo Ningen-Mitglied Kohhei Matsuda steuert zwei alte Tape-Arbeiten bei, eine auf Tape-Manipulation und Ring Modulator basierende Skizze und eine fast rituelle Perkussionsorgie mit alten Metallkannen, die gekonnt mit Erwartungshaltungen spielt und doch zu richtungslos für ein stringentes Narrativ bleibt.
Kontrasreich kollagierte Soundscapes mit hechelnden, hauchenden und stöhnenden Stimmen, die sich imemr wieder zu skurrilen Melodien verdichten, fabriziert Koshiro Hino alias YPY, der u.a.Synthesizer, Orgelm und Field Recordings seiner Liveshows als Soundmaterial verwendete. Tot Onyx von group A ist dann mit einem Solostück vertreten, das überwiegend auf Cut ups ihrer Stimme basiert und eine unheimliche Verführungskraft entfaltet.
“NO Recordings II” ist schon seit einer Weile draußen – die gute Nachricht ist, dass wohl noch einige der Tapes erhältlich sind. Bald müsste dann auch wieder ein neues Lebenszeichen von group A anstehen. (U.S.)