Wer die elektronische Avantgarde und kosmische Klänge mag und bei all dem mit einem leichten und wenn es sein muss auch etwas stärkeren technoiden Einschlag klar kommt, der hatte in den letzten zehn Jahren bei Everest Magma, der Projekt des ehemaligen Weird Folkers Rella The Woodcutter (von den Turinern How Much Wood Would A Woodchuck Chuck If A Woodchuck Could Chuck Wood) eine gute Adresse. Mit “Nuova Abduzione” liegt nun ein neuer Longplayer mit einem ganz charakteristischen Sound vor.
Nach einem fast schon Alarm schlagenden Auftakt macht sich gleich ein wesentlicher Zug der meisten Stücke des Albums bemerkbar, nämlich eine von der Richtung und Gangart her unbestimmter, bisweilen geradezu diffundierender Charakter in den kreisenden, halllastigen Synthies. Beim Übergang vom Opener “Ylot” zum folgenden “Ghet” taucht die Musik in tiefe Traumschichten ab, doch scharfe Sounds, die den Wohlklang wie Messer zerstückeln, lassen keine Romantik aufkommen, und irgendwann löst sich ohnehin alles im Nebel rasselnder Klänge auf.
Viel flirt und sirrt durch den Raum der stets kryptisch betitelten Tracks, deren Soundgestalt feinkörnig und nie glatt ist, und wenn man nach den mysteriösen Melodien von “Rhe” wie in einem Gegenzoom vom Schauplatz gesogen wird, entsteht endgültig der Eindruck, dass hier vieles auf Dinge bezogen ist, die nicht da oder zumindest nicht sichtbar sind. Die Stücke “Nues”, “Koel” und “Dya” bieten die Höhepunkte der klanglichen Reise, lassen untergründiges Glühen auf raue, wunde Flächen treffen, halten große, leere Dubräume bereit, führen infernalisches Rauschen und gehauchte Chöre zusammen und hypnotisieren nach coillastig aquatischen Sounds mit rituelle Glöckchengebimmel. Nach dem nicht allzu harmonischen Finale von verwaschenen”Tuui” hat man eine beachtliche Reise zurück gelegt, doch eine Karte zu zeichnen wäre nicht leicht.
Inspiration war für Rella wohl die erkenntnistheoretische Technik der Abduktion, die vor allem in den Arbeiten des Philosophen Charles S. Peirce erarbeitet wurde und auf die … abzielt. Ich stecke zu wenig in dem Thema, um das Album auf diesen Bezug abzuklopfen, aber man kann freilich die Unvorhersehbarkeit, mit der die Musik immer wieder in neue und unsichere Gefilde vorstößt, als ganz allgemeine Parallele betrachten. (A. Kaudaht)
Label: Maple Death Records