RISARIPA: Kuniumi

Vielen Schöpfungsmythen aus den unterschiedlichsten Kulturen haftet, trotz allem Zauber des Neuen, der zwangsläufig in ihnen steckt, auch ein Moment des Brutalen an. Dieses Brutale, Heftige, kann beispielsweise das Chaos illustrieren, dass in vielen Schöpfungsgeschichten besiegt und durch eine Ordnung ersetzt wird, die die Grundlage der bestehenden Welt bildet. Zugleich trägt es aber auch dem intensiven Akt, aus dem Chaos oder dem Nichts eine Welt zu erschaffen, Rechnung. Ein Schöpfungsakt ist nichts alltägliches.

Risa Egawa, vormals Drummerin bei den Crust Metallern Gallhammer und als Risaripa heute Spezialistin für analoge, oft lärmende Elektronik, ist wie geschaffen für ein musikalisches Narrativ, dass der japanischen Schöpfungsgeschichte einen für oberflächliche Antennen fast apokalyptischen Zug gibt. “Am Anfang war die Welt Chaos”, heißt es in den Liner Notes ihres aktuellen Albums, das nach der Geburt des Landes Japan in der shintoistischen Mytholigie “Kuniumi” benannt ist.

“Irgendwann”, so heißt es weiter, “stieg die leichtere Luft nach oben und die schwerere nach unten und schuf den Himmel und die Erde. Aber zu dieser Zeit gab es nur den Himmel und die Erde, und die Erde blieb im Chaos. Die beiden Gottheiten des Mannes und der Frau standen auf der Himmelsbrücke und rührten die Erde mit ihren Spießen. Dann tropfte der Schlamm von den Spitzen der Spieße, und es entstand eine Insel im Chaos. Die beiden Gottheiten landeten auf der Insel, heirateten und zeugten acht weitere Inseln. Danach brachten sie viele Gottheiten zur Welt. Stein, Erde, Meer, Wind, Berge, Getreide und Feuer…”. “Kuniumi” ist dem Beginn dieser Schöpfungsgeschichte gewidmet und startet im eröffnenden “Whiteout” zunächst noch ruhig und dezent, es scheppert leicht und dröhnt natürlich, wie es muss, wenn etwas entsteht. Schon hier entsteht zumindest die Illusion von etwas organischem, stimmlichem, doch zunächst wird das Scheppern deutlicher, ein Rhythmus zeichnet sich ab, dazu das raue Reiben verzerrter Synthiesounds, und ehe man sich versieht, befindet man sich inmitten eines noisigen Industrialstücks, bei dem heftig krächzender Stimmeinsatz die männliche wie die weibliche Energie aus der genannten Stelle zu repräsentierten scheint.

Im weiteren Verlauf entpupp sich das Album als nie berechenbares auf und ab retardierender Momente und heftiger Ausbrüche, wobei trotz allem der Eindruck einer dynamischen “Linearität” entsteht, kehrt die Musik doch nie zu bereits abgehandelten Mustern zurück. In “Pending Chaos” wird die anfangs flüsternde Stimme, die schnell in aggressives Fauchen übergeht, Teil der noisigen Soundlawine, die es unter sich begräbt, indem es in elektrifizierter Form mit ihr verschmilzt. In “Pray, and stir” erwartet man aufgrund des etwas luftigeren Klangbildes eine Ruhepause und bekommt stattdessen die eher enervierende Spannung einer piependen Maschine. Der sich aus diesem Setting herauswindende Takt, der fast zu einem Catwalk passen würde, leitet über in die hektische Ryhtmik des folgenden “The joy of building”, das mitsamt seinem verzerrten Sprechgesang fast ins Technoide zu kippen droht, doch die Inkohärenz der Gestaltung und das allgegenwärtige Summen und Brummen und Rasseln lassen derartiges nicht zu.

Das Downtempo und die verspielten Synthies in “Endless randomness” lassen zwar nur bedingt an ein glückliches Ende denken, aber das beeindruckende Album referiert ja wie gesagt nur auf den Beginn einer Genesis. Ein allzu runder Schluss würde zu der nicht gerade als Idealistin bekannten Künstlerin auch wenig passen. (U.S.)

Label: Iatrophobia Records