MEADOWSILVER: II

Natürlich kann man kaum exakt definieren, wann eine Art Supergroup aus den Mitgliedern anderer Bands zu einer eigenen festen Größe zusammengewachsen ist, mit der man auch in Zukunft rechnen darf. Ein zweites Album und ein wiedererkennbarer Stil sind allerdings mehr als bloß vage Anzeichen dafür, dass ein solcher Zustand eingetreten ist. Die schottischen Meadowsilver – bestehend aus Gayle Brogan, Grey Malkin, und Stephen Standard, über die man auf unseren Seiten einiges erfährt – haben vor kurzem ihr schlicht nach der römischen Zahl “II” benanntes Album herausgebracht, was durch drei digitale Vorab-Singles schon angekündigt wurde.

Mit einem aufwendigen Instrumentenpark aus Gitarren, Streichern und Drums, aus Piano, Melotron und diversen Orgeln, dazu Xylophon, Hackbrett, Synthies und einigen digitalen Ergänzungen haben die drei ein Album geschaffen, dessen folk(rock)iges Rückgrat trotz wechselnder Schwerpunkte auf Psychedelic, Ambient und Shoegazer-Anleihen eine gut spürbare Einheit wahrt. Und obwohl es kein streng konzeptuelles Werk darstellt, sondern auch auf Referenzebene eher die grundsätzlichen Interessen der Mitglieder zu reflektieren scheint, sind auch hier Schwerpunkte auszumachen. Einer liegt auf dem Wechsel der Jahreszeiten und ihrer Mythen und Rituale.

Sommer, Herbst und der Übergang zwischen beiden erfahren auf dem Album eine besondere Feier – am deutlichsten definitiv im von taghellen Sonnenstrahlen geblendeten “Arms Stretched to the Sun”, in dessen Mitdempo Shoegazer-Brei die hochtönende Erschöptheit eines prallen Tages die lebensfrohe Aufgewecktheit nicht herunterzuziehen vermag und deshalb den dynamischen Snaredrumwirbeln das Feld unter einem blauen Firmament überlässt. Ebenfalls in der heißen Jahreszeit ereignet sich wohl auch das elektrifiziert rhythmische “Garland Queens and Old Straw Bears”, dessen säuselnder Dream Pop mit anrührendem Folksopran in einen sanften morgendlichen Nebel gehüllt scheint. Alle Zeichen stehen auf Erwartung. Snares und Becken leiten auch den Übergang vom Spätsommer in den Herbst im nächtlichen “Owl Light” ein, dessen getragener Folkrock-Sound auf den ersten Moment wie ein angenehmer Schlummer wirkt, doch die Opulenz der Gitarren und ein leichter metallischer Glanz, der versteckt im Dickicht der Klänge aufblitzt, signalisieren, dass das pralle Leben weiter besteht. Gerade an dieser Stelle verdient Gayles auf den oberflächlichen Eindruck schlicht-schöner Gesang eine besondere Hervorhebung, denn in ihrem anrührenden Säuseln verbirgt sich immer auch etwas sprödes, dass der melodischen Süßlichkeit entgegensteht und der Stimmung der Songs eine ungreifbare Tiefe beigibt.

Am markantesten präsentiert der Herbst sich in “Crying the Neck”, das die Stimmung eines in Südengland gefeierten vorchristlichen Ernterituals in einem Rahmen von knapp drei Minuten einfängt. Der Geist des Korns wird rituell geopfert, damit der Zyklus von Saat und Ernte weitergehen kann, und die feierliche Proklamation Gayles unterstreicht die Ernsthaftigkeit des Ganzen, während sich in der glitzerndem Ambientkulisse unerhörtes zusammenbraut. Ein gesampleter Choral, der übrigens die Melodie von Haydns “Deutschlandlied” hat, schlägt die Brücke von der keltischen Tradition in christliche Zeiten.

Einem herbstlichen Vollmond huldigt die verliebte Melodie, die in “Beneath a Hunters Moon” über einem von gelösten Drums aufgewirbeltem Shoegazerteppich schwebt. Die tränennasse Stimmung eines eventuell seinen Zenit überschrittenen Jahres fängt der atemlose Sixties-Downer “Ophelia Between the Weeping Willows” ein, und doch gehört die Flora, die in den sinnlich-tragischen Versen eine so große Rolle spielt, ebenso sehr in einen voll erwachten Frühling, in dem die Vögel außer Rand und Band sind wie in der Waldeinsamkeit von “Day Brought Forth Anew”. Apokalyptisch ist in diesem Zyklus nur sein komplettes Ende, das in “The World Turned Upside Down” auch das Ende aller Jahreszeiten bedeutet. Mit seinen martialischen Pauken und der einleitenden Glocke hält der Song die beklemmendsten Momente des Albums bereit.

Die schon als Single erschienene Eiskönigin dagegen, die einzige Exkursion in eine winterliche Kühle, beschließt das Jahr in Einkehr und eisiger Harmonie, und zum Schluss wird die entrückte Melancholie des Ambienttracks noch einmal von Stannard in die tremolierende Rhythmik einer weiteren Version überführt.

Letztlich ist dieser Zickzackkurs durch den Kalender nur einer von vielen Wegen, auf denen man Meadowsilvers zweites Album entdecken kann, viele rein musikalische Charakteristiken fallen während des Hörens ebenso deutlich auf und so auch der Eindruck, dass das Trio noch fester zusammengewachsen ist. (U.S.)

Label: Miller Sounds