15 DEGREES BELOW ZERO: Open Doors

Eine offene Tür ist ein ausgesprochen vielgestaltiges Symbol, und das erstrecht, wenn es sich gleich um mehrere handelt. Sie zeigen unmissverständlich, dass der vor ihnen stehende weder ein- noch ausgesperrt ist und dass jede Wand, jede Grenze durch sie passierbar ist. Dem Auge jedoch offenbart sich in einer offenen Tür nur ein rahmenhafter Ausschnitt, der meist mehr versteckt als offenbart. Und mit dem, was man durch die Tür zu sehen vermag, steht und fällt jede Hoffnung, die ihre Offenheit suggeriert. Das Ausschnitthafte, Unbestimmte, mitunter Mysteriöse offener Türen ist beinahe ein perfektes Motto für die musikalische Erkundungsreise, die das Drone- und Noise-Trio 15 Degrees Below Zero auf ihrem vor einigen Monaten erschienenen Album „Open Doors“ unternehmen.

15 Degrees Below Zero ist das Projekt der drei Kalifornier Mark Wilson (besser bekannt als Conure), Daniel Blomquist und Michael Addison Mersereau, die in den 90ern bereits unter dem Namen Imperial Floral Assault Unit zusammenarbeiteten, und machte vor allem in den Nullerjahren von sich reden. Nach Wilsons Umzug nach Berlin und der Konzentration der Musiker auf andere Projekte wurden die Aktivitäten irgendwann seltener, und so brauchte es beinahe ein Jahrzehnt, bis „Open Doors“ fertig gestellt wurde.

Wenn es einen roten Faden auf „Open Doors“ gibt, dann dass die in den einzelnen Stücken entworfenen, meist düsteren Settings nie klar definiert bleiben, sondern immer wieder ihre Gestalt durch subtile Überblendungen und Verästelungen modifizieren. „Horizon, Skyline“ – der Opener und gleich längste Track des Albums – startet mit verunsichernden Rumpel- und Kratzgeräuschen, eingehüllt in eine mysteriöse Wolke aus dichtem Rauschen. Doch von titelgebenden Horizont dringt bald ein tief erdendes Ambientdröhnen ins Zentrum des Geschehens, intensiviert sich und verdrängt alle Kantigkeit, um am Ende Platz für weitere, perkussive Details zu schaffen, und so entpuppt sich jeder Moment, in dem man verweilen möchte, als vergänglicher Übergang zu weiteren, unbestimmten Orten.

Die abgeklärte Desolatheit, die sich bereits hier erahnen lässt, scheint in den folgenden Tracks deutlicher hervor: Im „The 5:15“ betitelten Stück breiten sich rauschende Wellen wie schwerer Atem über monotones Saitenspiel aus und mutieren zu etwas, das an gequälte Stimmen erinnert – alles scheint sich hier auf eine Eskalation zuzubewegen, während das Gitarrenmotiv stoisch unverändert bleibt, bis perkussives Klopfen für etwas Erleichterung sorgt. In manchen Stücken scheint es in emotionaler, atmosphärischer Hinsicht am Ende doch so etwas wie ein kleines Fazit zu geben.

Noch weitaus unbestimmter und wechselhafter offenbart sich der Titeltrack, der sich zunächst als knarriger Ambietdowner in die Gehörgänge bohrt. Hat man sich erst einmal eingelebt in seiner resignativen Statik, so sorgen allerhand kleine feine Bewegungen für Erleichterung: Helle Sounds bimmeln wie abstrahierte Glöckchen durch den Raum, doch das wiederum ist nur die Ankündigung für einen durch donnernde Detonationen eingeleiteten Sturm, der viel ungehörtes aufwirbelt. Interessant ist dass all diese gegensätzlich wirkenden Bestandteile der Kompositionen sich nie gegenseitig in Frage stellen, sondern in all ihrer Ambiguität zu koexistieren verstehen – vielleicht ist dies am deutlichsten spürbar in “White Sands”, dessen treibende Dynamik aus dem Hintergrund wirkt und die anrührende Melodie im Vordergrund nie antastet. es ist eines der kraftvollsten Stücke des Albums.

So haben letztlich alle Stücke ihre eigene kleine innere Dramatik, ihre eigenen Brüche und Richtungswechsel, und natürlich auch ihre Schwerpunkte. Lässt der nach dem Roten Meer benannte Track eine wuchtige Ambientwelle eine fast meditative Unbewegtheit in dem mit Klappern erfüllten Raum entstehen, so offenbart sein am Ende des Albums verortetes Pendant “The Dead Sea ” die größte Ambiguität zwischen Ruhe und Unruhe, zwischen getriebener Bewegung, schönen Synthie-Soundscapes und einem rabiaten Noise, der von etwas, das an Schreie erinnert, durchzuckt ist.

“Open Doors” ist ein ungemein reichhaltiges Album und jedes enthaltene Stück würde den Stoff für einen kongenialen Filmscore abgeben. Wenn die so untermalten Stoffe – mehrere Kollegen schrieben zurecht über postapokalyptische Dystopien – durch zahlreiche Ereignisse und zugleich durch eine nie zu eindeutige Stimmung auffallen würden, wären sie der Musik am ehesten angemessen. (U.S.)

Label: Oxidation