Dass es sich bei dem “Folk” betitelten Album des ‘A’ Trio nicht um das handelt, was der Begriff vielleicht für die meisten suggeriert, ist sicher schon beim Anblick des Covers zu erahnen. Mehr noch, wenn einem die aus den drei Libanesen Mazen Kerbaj (Trompete), Sharif Sehnaoui (Akustikgitarre) und Raed Yassin (Kontrabass) bestehende Band bereits öfter untergekommen ist, denn das Trio ist bekannt dafür, alles, was es anpackt, vom Kopf auf die Füße zu stellen und umgekehrt.
Das ‘A’ Trio besteht seit ziemlich genau zwanzig Jahren und gilt heute als die älteste Free Improv-Kapelle des Libanon, und ihr 2003 erschienenes Debütalbum wird oft als die erste arabische Free Jazz-Platte bezeichnet. Zusammengekommen waren die drei ursprünglich nur für ein einzelnes Konzert auf dem bis heute bestehenden Irtijal-Festival, in das Sehnaoui direkt involviert war und ist, aber manchmal kommen Dinge auch ganz ungeplant ins Rollen. Kurze Zeit später dann wurde der Jazzbezug immer stärker dekonstruiert, und irgendwann entstannt eine ungewöhnliche musikalische Textur, die über weite Strecken auf der Präparierung und Umfunktionierung ihres Instrumentariums basiert und bald den Stempel “Textural Swing” bekam.
In diesem Jahr tourten die drei ausgiebig durch mehrere Kontinente und in der Zweischenzeit entstanden die Ideen für gleich zwei Veröffentlichungen – zum einen eine Live-LP namens “The Binding Third”, zum anderen das vorliegende Studioalbum “Folk”. Das Album verarbeitet zahlreiche Erfahrungen, die das ‘A Trio über die Jahre zu dem gemacht haben, was es heute ist. Dazu zählen auch die Einflüsse von Kollaborationen, zu denen auch diverse Zusammenarbeiten mit Alan Bishop (ehem. Sun City Girls, Land of Kush etc.) gehören, für den Folk in verschiedener Form niemals ein Fremdwort gewesen ist.
Wenn sich zu Beginn im holprigen Gallop urige, obertonreiche Klänge entfalten, während stilvoll die Saiten rasseln, kommen zunächst mehr Fragen und weniger Aha-Erlebnisse auf, denn beim Opener “Folk(s) Music” weiß man nie, welche Komponente einmal die Oberhand haben wird, und das bleibt auch dann so, wenn neues Brummen und Rumpeln und Dreschen hinzukommt. Viele Kleine Melodie- und Harmonieaspekte liegen im steten Widerstreit, und auch wenn es zwischendrin aggressiver zugeht oder die präparierte Trompete aquatisch plätschernde Klänge einbringt, bleibt der Track ein stets veränderlicher Kosmos, dessen Gestalt nie ganz zu greifen ist. Das bleibt bei den meisten der folgenden Stücke so, auch wenn sie alle recht schnell ihre eigenen Signaturen offenbaren. “Rugged Land” kommt ähnlich galloppierend daher, ist aber insgesamt drahtiger, rumpelnder und die Trompete stößt wilde Schreie aus. Dieses Stück steigert sich zur klingelnden Ekstatik, in der man durchaus etwas pagan-folkiges sehen kann, aber man muss dies auch nicht zwanghaft suchen. Ganz anders das folgende “Cold Blood”, das – auf seine Art nicht minder brachial – mit langsam blubbernder und blasender Brass Section im Vordergrund eher Spannung aufbaut.
“Songs from the Valley” mag mit der Illusion lieblicher Flöten Bukolisches suggerieren, doch ebenso illusionäres Bellen und Vogelkrächzen färbt das Idyll dunkel ein, und eine ziehende Dröhnung und all die galloppierenden Geräusche verwandeln diese Motive schon bald ohnehin in eine Dekonstruktion ihrer selbst. Die spannungsgeladene Behäbigkeit im finalen “A Tower With No Imam”, in dem langsames Pochen und Brummen einen Trauermarsch anzustimmen scheint, impliziert eines ganz besonders, nämlich dass es auch nach dem Ende von “Folk” spannend bleibt.
Label: Al Maslakh Records