Die Gilgamanians sind formal betrachtet ein noch relativ junges Duo, doch reicht ihre Geschichte bis in die Zeit der frühen 80er zurück, als in Chicago eine neue Band namens Liof Munimula (Alufolie auf Englisch rückwärts gelesen minus ein i) aus dem Substrat früherer Gruppen entstand. In dieser Combo brauten Violinist Daniel Scanlan, Drummer Michael Zerang und Instrumentenbauer und Radiowellen-Virtuose Don Meckley ein seltsam eindringliches experimentelles Gebräu. Mit “The Jonah Syndrome” erschien 1988 ein Album und die Band existierte noch einige Jahre und wurde zu einer nicht nur lokalen Legende im Raum der großen Seen.
Es gingen die Jahre ins Land, zahlreiche musikaliche und intermedale Projekte der einzelnen Musiker erblickten unabhängig voneinander das Licht der Welt, doch Scanley verstarb früh vor vier Jahren. Vor Kurzem jedoch entschieden sich Meckley und Zerang, mit den Gilgamanians ein neues gemeinsames Duo zu gründen. Der Name ist ziemlich sicher eine Anspielung auf Zerangs assyrischen Familienhintergrund, der Ideenüberbau des Debüts “Escape From Dark Matter” ist eine – ich vermute nicht nur resignative – Auseinandersetzung mit der ökologischen Situation unseres Planeten.
Zu Beginn ertönte eine von schreienden Möwen begleitete Schiffssirene vor dem Hintergrund dunklen Gemurmels – was immer die Quelle dieser Klänge ist, sie wird dem Kurzwellenradio entstammen, das Meckleys wichtigstes Instrument ist und hier Kulisse und Medium der (vielleicht resignativen, vielleicht auch sarkastisch-nonchalanten) Botschaft des Titels ist: “Don’t Call Me, I Have Nothing to Say”. Raubtierhaftes Grunzen und seltsames Schaben, das eine Säge ebenso gut wie ein verdurstender Hahn sein könnte, lassen all dies am Ende eher wie eine Drohung klingen, deren Opfer erbärmlich quieken. Dann mischt sich noch ein Kind ein und alles ist das Gegenteil von langweilig, aber auch keineswegs friedvoll. Die eigentliche Story dahinter aus der Feder des Autors Carl Watson findet sich auf Bandcamp und soll hier nicht im gleichen Medium zusammengefasst werden.
Die restlichen vier Stücke sind ähnlich wohlklingende dystopische Szenarien, doch alle folgen einem eigenen Plot aus Klängen und Mustern. “The Man From Mumbai” entwirft mit nervösem Ratschen in unterschiedlich akuten Tönen ein Soundspektrum zwischen rau und schrill quietschend. Bald offenbart sich auch hier wieder die Sendersuche als Ursprung. In der zweiten Hälfte diffundiert der Song und wird geheimnisvoller als geahnt. “The Mechanical Fate of Romance” offeriert mit seiner rollenden, metallisch klingenden Perkussion nebst Reiben und Schaben, die sich immer mehr zu einer Art Motorenbrummen steigern einige der “schönsten” Soundmomente des Albums.
Ähnlich mechanisch erweist sich “Anachrony and Miscegenation”, dessen leises Summen zu Beginn an das Schleifen von Holz erinnert. Aber das ist wie gesagt nur der Beginn, und wenn es vor dem verrauschten Schluss, der Raum für das hektische Stimmengemurmel von “Failures of Intelligent Design” gibt, fraglich ist, ob man gerade eine knarrende Tür oder ein knurrendes Raubtier hört, ist auch hier die Welt wie gewollt aus den Fugen. Grandioses Album! (A. Kaudaht)
Label: Pink Palace