Zu den beliebtesten und kreativsten Stimmen der internationalen iranischen Community zählt heute auch die Sängerin und Illustratorin Marjan Farsad. In ihren Songs steht ein lieblicher, oft an Schlaflieder erinnernder Gesang meist in Farsi im Zentrum, umrahmt von sanften Akkorden auf dem Klavier, der Gitarre und anderen Saiteninstrumenten. Zahlreiche weitere Instrumente und je nach Aufnahme auch Elektronik kommen hinzu, und die Resultate werden gerne als eine Überblendung vorderasiatischer und osteuropäischer Spielweisen beschrieben, gelegentliche Vergleiche zu dunklen Chanson- und Folksängerinnen westlicher Prägung sind ebenfalls nachvollziehbar, oder klischeehafter gesprochen: Wer Platten von Roma Amor und Marissa Nadler im Regal stehen hat, wird höchtwahrscheinlich auch an dieser Musik etwas finden.
In ihren Texten verarbeitet die Sängerin stets persönliche Erfahrungen, in denen das Leben in der Diaspora – Farsad lebt nach einigen Jahren in Kanada heute in Brooklyn – immer wieder eine mal indirekte, mal direkte Rolle spielt. In “Khoneye Ma” vom Debütalbum “Golhaye Abi” besingt sie in sensuchtsvollen Versen das eigene Haus, weit weit weg hinter den stoischen Bergen – der Song wurde schnell zu einem Lied, in dem sich zahreiche junge Exiliraner wiederfanden. Nachdem das zweite Album “White Tree” seinen Fokus von Farsads charakteristischem Dark Folk ein gutes Stück in Richtung Pop verschoben hatte und rhytmische Elemente und satte Elektronik betonte, stehen ihre aktuellen Veröffentlichungen wieder mehr im Zeichen ihres ursprünglichen Sounds. Nach der Single “Mahtab”, die dem Schicksal politischer Gefangener im Iran gewidmet war, erschien im vorigen Jahr die digitale EP “Be Yadam”, was so viel wie “Vergessen” bedeutet.
Die Sängerin selbst beschreibt die Songs als romantische Schlaflieder, eine Betrachtung, die sich in der durchweg beruhigenden Atmosphäre der Musik wiederfindet, doch schaut man sich eine übersetzung der Texte an, fällt schnell auf, dass der Ton der Worte nicht nur süß, sondern ebenso bitter ist und vielleicht mehr vom dem Wunsch nach Beruhigung als von dieser selbst kündet. Es sind Geschichten über Jahre der Trennung, die sich wie eine unverdiente und unverständlichte Verdammung anfühlt, Geschichten von Unsicherheit in Zeiten politischen Wirwarrs. Der Trost in diesen Lullabys findet sich im Licht, dass im Zentrum des Dunkels gefunden wird, in der Liebe, die auch Kontinente umspannt und in der Hoffnung auf einen Tag, in dem in der alten Heimat Frieden und Ruhe die Angst und die Trauer vertreiben werden. Da der aktuelle Iran direkt erwähnt wird, ist sicher, dass die Unruhen der vergangenen Monate ein unmittelbarer Impuls für die neuen Songs darstellen.
Das eröffnende “Soghati”, eine Interpretation eines klagenden Hayedeh-Klassikers, bricht den Charakter und dei Atmosphäre ihrer Musik mit anheimelndem Gesang und besinnlichem Finger Picking auf ihre wesentlichsen Merkmale herunter und schafft mit seiner chansonhaften melodie, die immer mal das eine oder andere Ornament in die klare Schlichtheit bringt, trotz allem eine enorme Weite. “Abi”, das die Symbolik der blauen Blume vom ersten Album aufgreift, zeichnet eine ähnliche Miniaturwelt vor der Kulisse sommerlich zirpender Zikaden. Entrückter vom wehmütigen Gesang ist der Titelsong, an dem sich der in Begien lebende Sänger und Gitarrist Shervin Najafian beteiligt. Ihre im Duett gesungenen Passage kurz bevor das Cello einsetzt, gehören die den größten Momenten des Albums. Beim abschließenden “Gole Koochak”, das durchaus heitere Momente bereithält, stimmt Gastsängerin Aida Shaghasemi für kurze Augenblicke mit ein, bevor einen das Cello noch einmal zum Abschied sanft umarmt.
Farsad scheint sich mit ihren Songs wohl v.a. an eine persischsprachige Community zu richten, ihre Post in den sozialen Medien und die Ansagen auf Konzerten erfolgen sehr oft auf Farsi, was angesischts der Sprache der Lyrics ja durchaus passt. Da es aber immer auch Hörer gibt, die ganz ohne exotische Projektionen Musik in nicht gekannten Fremdsprachen gourtieren, möchte ich “Be Yadam” einem breiteren, an melancholischen Folksongs interessierten Publikum empfehlen. (U.S.)