SIAVASH AMINI / EUGENE THACKER: Songs for Sad Poets

“Songs for Sad Poets” ist ein Album, in dem viele Stimmen zu Wort kommen. Rein akustisch hört man nur die musikalische “Stimme” des Teheraner Sound- und Ambientkünstlers Siavash Amini, doch die gleitenden, brodelnden, dröhnenden und manchmal auch heftig lärmenden klanglichen Gebilde sind stets auf literarische Äußerungen bezogen.

Das bereits im vorigen Herbst erschienene Album entstand in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Dichter und Philosophen Eugene Thacker, der gerne das Label “nihilistisch” angeheftet bekommt und der hier acht Gedichte für das gemeinsame Projekt verfasst hat – schlichte, streckenweise fast lakonisch wirkende Versgruppen, in denen wenn eher Assonanzen als Reime für die poetische Klammer sorgen, und deren Inhalte von anmutiger Dunkelheit sind. Dunkle, “demente” Himmel bilden den Schauplatz, der oft an Blaise Pascals endlose Räume erinnert. An ihrem Firmament prangen schwarze Insignien, schwarze Schwingen flattern vorbei vor toten Sternen und toten Gedanken. In dieser Sphäre der Nacht, die den von Zweifeln geplagten und doch staunenden Beobachter irgendwann verschluckt, herrscht eine Atmosphäre der Verlorenheit, doch ist auch die Schönheit des ganzen Szenarios kaum zu leugnen.

Jedes dieser Gedichte, die alle im Booklet der LP angedruckt sind, ist einer Dichterin oder einem Dichter der Weltliteratur gewidmet und wahrscheinlich auch von ihrem Werk inspiriert. Zu den “Traurigen” gehören hierzulande bekannte Namen wie Giacomo Leopardi und Gérard de Nerval, außerdem der berühmte, oft mit Kafka verglichene persische Dichter und Erzähler Sadeq Hedayat sowie Namen wie Alejandra Pizarnik, Chūya Nakahara und Zhu Shuzhen. Aminis dazu komponierte Musik, in der keinerlei Texte vertont werden, ist so etwas wie ein Soundtrack oder besser noch ein musikalisches Pendant zu Thackers poetischen Referenzen.

Was die zwischen sieben und elf Minuten langen Stücke ausmacht, ist oft mehr noch als ihre Dunkelheit, die ganze Dark Ambient-Playlists alt aussehen lässt, eine unberechenbare Veränderlichkeit, mit der Amini immer wieder andere Wege einschlägt und innerhalb eines der “Songs” mehrfach den Schauplatz wechselt und neue Landschaften vor dem inneren Auge (oder Ohr) ausbreitet. Auf gemächlich ambienten Synthieflächen gleitet man in verkratzte, fast schrill glühende Klangstrudel, hinter denen ganz unerwartet eine sanft gehauchte Melancholie wartet (“A Quiet Glow (For Chūya Nakahara)”. Man weht mit dem unruhigen Wind durch eine von wenigen Lichtern kaum erhellte Nacht, bis ein beschaulicher Regen für Erleichterung sorgt, aber die unterschwellige Spannung nicht ganz zu besänftigen vermag (“Demented Skies (For Alejandra Pizarnik)”. Wer es sich an einem Ort voll smoother Dröhnung bequem macht, wird schnell von einer rauschenden Welle erfasst, die sie oder ihn in ein Panoptikum knarrenden Lärms und kreischender Hochtöner versetzt (“Smoldering Stars (For Giacomo Leopardi)”). Oder man sucht Halt in einem regelrechten Strudel stimmenartiger Sounds, die einen vielleicht um den Verstand bringen würden, wenn es nicht einen Cut gäbe, nach dem nur noch leiser Sand rieselt (“Opulent Night (For Mário de Sá-Carneiro)”).

Beim abschließenden “Prisms of Sleep (For Jean-Joseph Rabearivelo)” breitet sich – vielleicht dem Titel angemessaen – fast schon so etwas wie Entspannung über die weite Klanglandschaft aus, doch wenn ein wellenförmiges Pulsieren immer mehr durch die Soundschichten an die Oberfläche dringt, wird umso deutlicher, dass das Unbehagen hier nur subtiler ins Szene gesetzt wird. An diesen Stellen wird auch deutlich, dass die Eindringlichkeit der Musik – und letztlich auch der Lyrik – stark auf einem selten so gut umgesetzten Wechselspiel von Weite und Beklemmung aufbaut. (U.S.)

Label: Hallow Ground