Bei einer musikalischen Arbeit, die sich stark auf ein außer ihr selbst liegendes Ereignis oder Werk bezieht, ohne dass dies z.B. in Songtexten oder prägnanten Samples unmissverständlich deutlich wird, gibt es zwangsläufig immer mindestens zwei grundsätzliche Lesarten. Vereinfacht gesprochen könnte man sie zum einen als die Lesart derer bezeichnen, die den betreffenden Subtext bzw Überbau kennen, zum anderen als die Lesart derer, für die die Musik für sich steht.
Hörer der erstgenannten Gruppe rezipieren die Musik dann, ein entsprechendes Interesse und eine besondere Aufmerksamkeit vorausgesetzt, wie zwei übereinander gelegte Negativfilme, bei denen sich Werk und Hintergrund immer gegenseitig ergänzen und erklären, und am Ende scheint in der Musik immer noch eine weitere Bedeutungsdimension durch. Im besten Fall funktioniert einer derart referentielle Musik immer auch dann, wenn man von all diesen Hintergründen nichts weiß oder versteht.
“The Water of Life”, mit dessen Produktion Mkl Anderson alias Drekka bereits 2015 als Auftragsarbeit für ein unvollendetes Gemeinschaftsprojekt begonnen hatte, befasst sich mit dem insgesamt 12 Romanbände umfassenden Dune-Zyklus von Frank Herbert, bei dem es – in sehr verkürzter Zusammenfassung des vielschichtigen epischen Stoffes – um die Jahrtausende lange Geschichte des Wüstenplaneten Arrakis, um seine Urbarmachung für eine lebenswichtige und zivilisationserhaltende Gewürzproduktion und um den ständiger Kampf der den Planeten bewohnende Fremenkultur gegen eine neue Wüstenbildung und die für diese verantwortlichen Sandwürmer geht.
Der nun Jahre später fertiggestellte Longplayer schenkt dem Stoff bei entsprechender Kenntnis (der Rezensent kennt die beiden ersten Teile des Zyklus plus eine Verfilmung) einen interessanten musikalischen Kommentar und funktioniert gleichzeitig auch als eigenständige Arbeit. So bedächtig das eröffnende “Stasis and Staric” mit seinem brummemden Fundament und den fast lieblichen Glöckchen auch startet, schon nach kurzer Zeit erweisen sich die ambienten Landschaften als von endzeitlichen Stürmen durchtostes Chaos. Das Bimmeln der Glocken ist in diesem Stück vielleicht das bemerkenswerteste überhaupt, denn es bleibt seinem Klang und seinem Tempo auf stoische Art treu, selbst wenn das stürmische Rauschen immer elektrifizierter wird und irgendwann geradezu lärmende Dimensionen annimmt.
Das folgende “Navigation” ist nur sehr kurz, nimmt das Rauschen mit und gestaltet es um in ein prasselndes Inferno, aus dem man raue Gitarren und trötende Blasinstrumente herauszuhören meint, bevor es irgendwann in einem merkwürdigen Idyll mit zwitschernden Vögeln ankommt. Daraufhin beginnt der Titeltrack, den man auch als Herzstück des Albums betrachten kann: Trotz einer hypnotischen Dröhnschicht ist dieser Track wesentlich luftiger und weniger dicht als die anderen, schleppt sogar noch einen kleinen Rest des Vögelidylls mit sich und lässt neben undefinierbarem mechanischen Hantieren auch wieder Glocken und andere Instrumente anklingen. Irgendwann erregen allerdings heftige verhallte Detonationen die Aufmerksamkeit des Gehörsinns. Becken zischen aufgeregt, und ehe man es recht merkt, gipfelt das Stück in ein eskalierendes Noise-Freakout, das alle Details in einen heftigen Strudel reißt. Im abschließenden “Prophecy and Prescience” erklingt ein liturgisches Gesangs-Loop, das dem ganzen eine sakrale Dimension gibt, doch das letzte Wort haben hoffnungsvoll verspielte Kinder.
Mit oder ohne dieser versöhnlich klingenden Schlussgebung hat Drekka hier unter dem Eindruck und Einfluss eines epischen Stoffes selbst ein kleines Klangkunstepos geschaffen und vielleicht mehr als in vielen früheren Veröffentlichungen eine beeindruckende Kunst des Geschichtenerzählens demonstriert. (U.S.)
Label: Orb Tapes