ELYSE TABET: Seaside

Fast ein bisschen klammheimlich im Eigenvertrieb erschien vor ein paar Wochen eine kleine EP der libanesischen Klangkünstlerin und Producerin Elyse Tabet, vormals Litter, deren Kollaborationen mit Jawad Nawfal sowie mit Yara Asmar und Pascal Semerdjian immer noch aktuell sind. “Seaside” enthält eine gute Handvoll kompakter, aber umso eindringlicherer Kompositionen, wohl primär auf der Basis modularer Synthese und gesampleter Sounds, deren verhuschter Hypnotik man sich nur schwer entziehen kann.

Verrauscht und mit einem Sound, der an abgeklärt-melancholische Dark Jazz-Bläser erinnert, startet der Opener “4 AM” und wirft die Hörerinnen und Hörer in ein frühmorgendliches Szenario, das an eine Fahrt durch desolate Industrielandschaften vor Sonnenaufgang erinnert – und dabei eher an eine durchwachten Nacht als an eine von Aufbruchstimmung und Tatendrang durchdrungene Morgenstunde. Eine gewisse Offenheit und die trotz bohrender Dröhnung ausbleibende Beklemmung wirken dem entgenen, und diverse Instrumentenzitate und Sounds, die an gespenstische Stimmen erinnern, wecken eine Menge Neugier.

Der Titel des folgenden “Riding in your car at night down by the seaside no street lights” lässt eine Vorstellung der ablaufenden Geschichte entstehen: Tremolierendes Zischen wie von artifiziellen Beckenanschlägen und propellernde Sounds lassen die Vorstellung einer einsamen Fahrt entstehen, die, vielleicht bewirkt durch die umgebende Dunkelheit, durch monotone Landschaften führt. Die Monotonie verflüchtigt sich bald, doch die gefühlte Schwermut steigert sich noch durch nostalische, an Jahrmarktsinstrumente erinnernde Orgelsounds.

Spannender, aufwallender, konfrontativer gestaltet sich “Other cars in sight”, eine kurze aber intensive Empfindung von Lichtfülle und Intensität entsteht, deren fließender Charakter sich völlig in der vermeintlichen Statik der tastenden Synthies von “Come Down” auflöst, bevor auch hier eine beinahe monumentale Dröhung, flankirt von den gelösten Drums von Maya Abignadis (Flugen) die ganze Szene emporhebt. Auf einer solchen Plattform fühlt man sich noch auf dem viel zu kurzen Ambientstück “Prequel”, aus dem so mancher Epigone der elektronischen Avantgarde heute ein halbes Album gemacht hätte.

Ob die finalen zweieinhalb Minuten des hypnotisch-entrückten “Sequel – live to tell” dem Ankommen oder dem sich entgültigen Verlieren gelten, sollte offenbleiben – auch angesichts der goldenen Flocken, die in Nadine Makarems Gedicht, das hier von der Autorin selbst eingesprochen wird, über dem Staub tanzen, während Organisches und Meschinelles immer mehr zu einer rostigen Einheit geraten. (U.S.)