Das Herz, das auf dem Cover von Munmas neuem Album so deutlich in der Farbe hervorsticht, ein vergängliches Organ zu nennen, als Feststellung freilich eine Selbstverständlichkeit, mag von sehr traurigen, vielleicht aber auch sehr abgeklärten Gedanken motiviert sein. Doch auch wenn die Musik, die sich hinter diesen Worten und Bildern verbirgt, auf ihrer Reise durch anfangs abgedunkeltes, im Laufe der Zeit aber sehr vielfarbiges Terrrain diese Fragen berühren mag, steht sie doch weit über solch eindeutigen Entscheidungen.
Beinahe acht Jahre nach “Three Voices” und nach einer ganzen Reihe an zum Teil kollaborativen Veröffentlichungen auf seinem eigenen Netlabel VVVA ist “Transiend Organ” auch so etwas wie eine Rückkehr des libanesischen Musikers und Komponisten Jawad Nawfal zu seinem seit fast zwei Jahrzehnten existierenden Soloprojekt, auf die zu warten es sich gelohnt hat.
Mit kernigem, propellerndem Syntieknarren in sanfter und leichter Umhüllung beginnt das Album auf durchaus konfrontative Art und lässt Erwartungen aufkommen, was da wohl auf einem zukommen mag. Fast meint man, den Opener “Quicksilver” schon nach kurzer Zeit im Dunkel versinken zu sehen, doch dies scheint nur einer von zahlreichen kurz angepeilten Seitenpfaden zu sein, in die sich die Musik im Laufe ihrer Tastbewegungen begibt, um dann doch einen anderen Weg einzuschlagen. Hier führt dieser zurück zur beinahe repetitiven Hypnotik der dunklen Loops, die durch kleine Details wie bedrohliche Detonationen flankiert sind. Im folgenden “Towards the Bounding Line”, das sich ähnlich somnambul gestaltet, öffnet sich in von handdrumartigen Rhythmen durchzogenen Ambientlandschaften einiges zum Staunen hin und etwas versöhnliches, aber keineswegs zu behagliches klingt an.
Dass die Musik hier keineswegs statisch, sondern in steter Bewegung ist, ist bei entsprechender Aufmerksamkeit kaum zu überhören. Trotz tänzelndem Takt gibt sich das Soundmaterial in “Le Cou La Force” dann konzentrierter, scheint kühler zu sein hinter dem Gerüst handclapartiger Beats, auch wenn sich im Knarren auch hier etwas Wärme behauptet. In dieser Szenerie, die keine bloße Kulisse ist, übernimmt die Stimme von Caroline Tabet den vorderen Bühnenraum, scheint sich in ein Duett aufzugabeln und, wenn es denn keine Illusion ist, mit Teilen des Umfeldes zu verschmelzen.
Auf “Transient Organ” hat jedes Stück seinen unverkennbaren Charakter, doch viele der Motive kehren über kurz oder lang zurück, so wie das Warme, Umhüllende in “Exhale Breath Condensate”, in dessen ambienter Textur es tatsächlich stark um den Atem und um die menschliche Stimme zwischen Flüstern und Murmeln zu gehen scheint, während im Hintergrund ein imaginärer Regen fällt. Eher trocken, als wäre etwas gestrandet, endet der Track und gibt dem fast sakral anmutenden Glühen des Titelstücks Raum, in dem die krachenden Detonationen des Auftakts sich am Horizont abzeichnen und diesmal bedrohlich näher kommen. Eine berührende Melodie zeichnet sich ab, und mit dem erneuten Einsatz der diesmal nüchtern klingenden französischen Rezitation entsteht entgültig ein veritables Wechselbad an Emotionen.
Unregelmäßige Takte, verfremdetes Gemurmel, eine Sendersuche am Radio, treibendes Pulsieren, aber auch ein warmer, an eine Harmonika erinnernder Sound übergeben diese auch in den folgenden Stücken immer wieder neuen Verwandlungen – bis sich im finalen “Lights Out” alles unter Glühen und Lärm wie in Gezeiten der Melancholie auflöst und ein ungemein berührendes Album zum Abschluss bringt. (U.S.)
Label: Ruptured