Auf “Kosmogonia” gehen Schröttersburg, das Quartett aus dem polnischen Płock, dessen alten Namen sie sich zu eigen gemacht haben, zurück zu den Anfängen, zur Geburt des Kosmos, und lassen dessen Entstehung vor dem geistigen Auge neu ablaufen. Schröttersburg sind Erkenntnissuchende, was zur Wandlungsbereitschaft ihrer zwischen postindustrieller Elektronik, angekrauteter Psychedelik, Ritualismus und postpunkigen Ansätzen immer wieder neu ausgrichteten Musik passt. Zu den Dingen, die ihre bislang sechs Alben wie ein Band zusammenhalten, gehört die wuchtige Energie, die wie gemacht scheint zur Weltentstehungsthematik ihres neuen Longplayers.
Ein verhalltes, elektrifiziertes Brummen eröffnet das Album im Opener “Ananta”, dessen Titel bereits Elijah’s Mantle zusammen mit Kundalini in einem Atemzug nannte – hier kommt der Sound des Entstehens recht nah an den der Destruktion, wie man sie sich vorstellen mag, auch wenn immer mehr Leben ins Klangbild kommt: Durch mysteriöses Pfeiffen, Kettengerassel, ekstatische Perkussion und gelegentliche Peitschenhiebe, v.a. aber auf die deklamatorischen Shouts, die all die restlichen Sounds zu befehlen scheinen und so in Bewegung halten.
Nach dem initialen Kraftakt peitscht das kurze martialische “XII Le Pendu” die Bewegung noch gewaltvoller voran, Anklänge an Forresta di Ferros “Kshatriya”-Cover kommen auf. Auf dem erneut perkussiv-metallischen “Djab” ist das Album auf seinem Plateau angekommen, man könnte die Musik auch als Unternalung einer Kriegsfilmszenerie imaginieren, wenn durch die harten Schläge viel Staub aufgweirbelt wird vor dem Hintergrund cinematischer Keyboardflächen, während immer mal wieder die Stimme des Frontmanns durch den Läm nach vorn dringt. Schröttersburg stehen auch in einer Tradition, die durch Bands wie Test Dept., Offizine Schwarz und Savage Republic geprägt wurde – letztere kommen auch in Erinnerung im basslastigen Knarren von “Terra Sanda”, in dessen Shouts einige (oftmals dunkle) Details verschiedener Mythologien und esoterischer Systeme anklingen, inklusive dem Titel des vorausgegangenen Albums.
Vor der atemlosen Wucht des schleppenderen “Poza Ciałem” hätte ein tastenderer Abschnitt von ruhigerer Gangart gut getan, nicht weil sich zwangsläufig Erschöpfung bemerkbar machen müsste, sondern um die Energie auch dieser Passage noch deutlicher hervorzuheben. Etwas wie eine solche Reliefpause entsteht dann zum Auftakt von “Z Nicości w Słońce”, das sich mit seinen repetitiven Slogans und den Punk’n'Wave-Gitarrenfiguren als etwas experimenteller entpuppt, trotz eines schon vertrauten Trommelrhythmus.
Das auf “Kosmogonia” – ganz ähnlich dem thematisch ähnlichen “Kuniumi” der Synth-Noise-Produzentin Risaripa – ein faszinierender und doch keineswegs behaglicher Kosmos entsteht, wird schon recht früh deutliche, und daran ändert auch der Didgeriedoo-Sound des abschließenden “Terra Ignota” nichts. Und doch scheint der primäre Kraftakt nun abgeschlossen, denn die perkussiven Rhythmen geben sich trotz ihrer Dynamik gelassen ekstatisch und lassen die metallene Monumentalität weitgehend hinter sich. Die Geschichte der unbekannten Erde kann beginnen. (A. Kaudaht)
Label: Zoharum