ONASANDER / ASHTORETH / GYDJA: Animic Atmospheres

Wie eine Reise beginnt “Animic Atmospheres”, das von einer Vortragsreihe Rudolf Steiners aus dem Jahr 1912 inspirierte gemeinsame Album von Onasander, Ashtoreth und Gydja – Ashtoreth kennen unsere Leser bereits von zahlreichen früheren Soloarbeiten und Kollaboration, unter dem der griechischen Philosopie entlehnten Namen Onasander firmiert der italienische Ambient- und Industrialmusiker, der auch als Les Anges Morts bekannt ist und hinter dem Namen Gydja verbirgt sich die Grafikerin Abby Helasdottir, die wohl auch an der Musik nicht ganz unbeteiligt gewesen ist.

Wie eine Musik der Sphären entfaltet sich glitzernd geschmückter und verzückter Ambient im Opener “You Who Watch Over The Souls Of The Spheres” und wird zum Hintergrund einer pythagoräisch anmutenden Szenerie, in der Wasser fließt und ein leichter Hauch zu hören ist, der mit etwas Fantasie von einer menschlichen Stimme kommen könnte. Immer wieder wiederholen sich einzelne Motive, doch von Zeit zu Zeit kommt Neues hinzu, metallophones Glöckeln z.B und etwas quietschendes, das vergnügte Vögel sein könnten. Hat man sich an diesen Schauplatz gewöhnt, scheint er sich merkwürdig zu verändern, eine raue, fast doomige Schwere mit der Handschrift Ashtoreths macht sich breit und färbt die bunte Szenerie in düstere Farbtöne. Erst jetzt schwant einem, dass der Ort sich gar nicht verändert haben könnte, dass man sich stattdessen an einen anderen, tiefer gelegenen Ort begeben hat. Doch auch hier erscheinen irgendwann neue himmlische Klänge, eine rituelle Rassel erklingt und gegen Ende hört man sogar das liebliche Zwitschern und Klingeln wieder. Auch das Wasser, man findet sich am Meer wieder und hört den stürmischen Gezeiten zu.

In jedem der Stücke verstärkt sich der Eindruck, verschiedene Dimensionen zu durchwandern, auch mehrfach innerhalb eines Stücks. In “Spirit Portents” dominieren metallende Anschläge wie mit Barren ein Klangbild, in welchem sich das Hallen melodischen Ambients und kerniges, doomiges Grollen, in das ich bald deine knorrige Stimme mischt, abwechseln, bis alles in einem schmerzvollen Jammer mündet. Auch in “The Mystery of Golgatha”, vielleicht das Herzstück des Albums, aber auf jeden Fall eines seiner Höhepunkte, ist diese Dualität deutlich zu spüren. Es referiert vom Titel her auf eines der zentralen Narrative Steiners, das die Ereignisse der Kreuzigung Christi und dessen Auferstehung als ein zentrales Ereignis der Menschheitsgeschichte interpretiert, bei der das, was Steiner das menschliche Ich nennt, unabhängig vom Glauben des Einzelnen überhaupt erst in die Welt gekommen ist und somit den Menschen eine Kraft zum Einhegnen und Bearbeiten des Unbewussten gegeben hat. Dieses Stück kommt orchestraler daher als der Rest und offenbart zu Beginn eine gewisse Orgelschwere, in deren Ton sich etwas, das an eine weibliche Stimme erinnert, einklinkt, bis sich alles komplett verwandelt. Der Verwandlungsprozess besteht aus heftigen, semiperkussiven Sounds, die rasant durch die Szenerie ziehen und im Nu verschwunden sind und einem entrückten klingelnd-glitzernden Klangbild Platz machen.

“Knocking on Death Door” gibt sich wesentlich zurückhaltender als die vorausgegangenen Stücke und enlässt zunächst ein geheimnisvoll rauschendes und brodelndes Dröhnen in den Raum, lediglich ein paar Hochtöner und merkwürdiges subkutanes Kratzen “stören” die an sich fast meditative Szenerie. Doch auch hier, kurz vor der Mitte des Stücks, zieht dieses noch mal merklich an, das Drone wird rasanter, aufwühlender und beendet das Stück in einem markanten Brummen. Nach “Cosmic Wisdom”, das die ambientesten und aufgeräumtesten Momente des Albums bereithält, erscheint “Disincarnate” wieder um einiges bewegter und dramatischer, hier wird das Verlassen eines feinstofflichen Körpers aus der groben Materie durch eine wellenförmige Bewegung und einen Glissando-Goldregen nachgezeichnet. Aber auch hier wird kein schöngeistiger Sonntagsspaziergang geschaffen, denn auch hier geht es um Schwerwiegendes, das sich in einer gewissen Rauheit ausdrückt.

Die letzten Passagen des Albums in den Tracks “Occulted Regions” und dem Titel Track gehören den entrückteren und hypnotischeren Momenten. Taucht man am Ende wieder aus der Musik in die profane Wirklichkeit, wird einem eventuell erst bewusst, mit welchem Detailreichtum man konfrontiert wurde, der sich durch die gelungene Kombinatorik der Elemente beinahe versteckt. Unter diesem Eindruck lohnt umso mehr ein weiterer Hördurchgang. (U.S.)

Label: Winter-Light