Mit seinem vor einigen Wochen erschienenen neuesten Werk, “Un Être Humain Ordinaire”, präsentiert der Komponist und Klangkünstler Jeff Düngfelder alias Ümlaut eine tiefgründige nächtliche Erkundungsfahrt in die verborgenen Winkel der menschlichen Erfahrung. Das Album, dessen Titel so treffend die scheinbare Alltäglichkeit des Lebens beschwört, entfaltet sich als ein meisterhaftes, elektroakustisches Klangmosaik, das gleichermaßen introspektiv wie grenzenlos ist.
Von Beginn an zieht das Album in vielfältige und trotz der meist abgedunkelten Stimmungslagen vielfarbige Szenarien, die an filmische Traumwelten erinnern. Bereits der Opener verführt mit entrückten Synthietupfern, dem Zirpen imaginärer Grillen, einer milden Brise und einem sanften Zwitschern. Es ist eine hypnotische Komposition, in der jede Klangkomponente ihre Aufgabe erfüllt – beruhigend oder anregend, dem Anschein nach aber immer auf ein Transzendentes verweisend. Diese Detailverliebtheit und Vielgestaltigkeit prägen die gesamte Platte und machen sie zu einem akustischen Kaleidoskop, das bei jedem Hören neue Facetten enthüllt.
Ümlaut versteht es, Klanglandschaften zu erschaffen, die mit ihrer poetischen Präzision beeindrucken. Die Kompositionen wirken oft wie Erkundungen unbekannter Regionen: In einem Stück gleitet man durch eine aquatisch geprägte, fast gelierte Klangwelt, wo tropfende Sounds, glockenartige Klänge und digitale Geräusche wie Treibgut an die Oberfläche kommen. Das Labyrinthische und Verspielte, typisch für Düngfelders Werk, wird hier erneut zum Prinzip erhoben. An einer anderen Stelle taucht die Musik den Hörer in eine tropische Nacht, in der metronomartige Anschläge und luftiges Rauschen mit geheimnisvollen nächtlichen Tierlauten verschmelzen (diese und der luftige Wind zählen zu den offensichtlicheren Leitmotiven, die dei Kompositionen durchziehen). Pianoparts und perkussive Akzente fügen eine Dramatik hinzu, die an den buddhistisch inspirierten Kreislauf von Werden und Vergehen erinnert, an dessen Verlöschen der Titel “Until We Became Nothing” vielleicht anspielt. Dabei bleibt die Musik stets subtil und nuanciert.
Besonders beeindruckend ist die dynamische Vielschichtigkeit der Kompositionen. Einige Stücke wirken filmisch, mit scharfen Rhythmen und dunkel dröhnenden Grundtönen, die sich zu orchestralen Miniaturen entwickeln. Andere wiederum sind meditative Tableaus, durchzogen von Glockenklängen, vibrierenden Texturen und subtilem elektronischem Zisseln. Es ist v.a. diese Balance zwischen Strukturiertheit und Offenheit, die “Un Être Humain Ordinaire” sein eigenes Gepräge gibt. Auch thematisch überzeugt das Album: Die Titel der Tracks fungieren als poetische Hinweise auf die klanglichen und konzeptuellen Welten, die Düngfelder erschafft. Mal beschreibt er mit präzisen Klängen den Moment, mal den Punkt im Raum, mal das, was zufällig an die Oberfläche tritt. Besonders die finale Komposition fasst das Werk harmonisch zusammen – ein leiser Abschied, der sich noch einmal sanft erhebt, um schließlich sanft auszuklingen.
Auf all diese Arten und Weisen entsteht in “Un Être Humain Ordinaire” mit seiner charakteristischen Poesie eine intime, gleichzeitig aber auch universelle Welt. Ist es wirklich ein Tribut an das Alltägliche des menschlichen Daseins, dann wird dieses durch Ümlauts präzise durchdachte und doch niemals unspontan wirkende Ästhetik zu etwas Außergewöhnlichem. (U.S.)
Label: Audiobulb