SABA ALIZADEH: Temple Of Hope

Mit “Temple of Hope” hat der iranische Komponist Saba Alizadeh sein mittlerweile drittes Album herausgebracht, und es ist ein zutiefst bewegendes Werk geworden, das vielleicht mehr denn je die Konflikte und die Hoffnungen seines Landes reflektiert. Über elf meist kurze Stücke hinweg entfaltet sich eine eindringliche Hommage an die Menschen der “Woman Life Freedom”-Bewegung, bei der die Fragen und Reflexionen zu Schmerz, Widerstand und Hoffnung ihren Ausdruck in beeindruckenden elektroakustischen Kompositionen finden. Dabei setzt Alizadeh auf die Kombination traditioneller persischer Musik mit modernen Techniken.

Alizadeh, Sohn des ebenfalls renommierten Komponisten Hossein Alizadeh, entschied sich früh, die Kamancheh – ein in der Region verbreitetes Streichinstrument, das von der Tonhöhe und dem Klang her oft als Pendant zur Violine bezeichnet wird – zu lernen, und verbindet seither deren organische Soundqualität mit experimentellen Ansätzen. Neben seiner musikalischen Laufbahn, die ihn auch in cinematische Bereiche führte, studierte er Fotografie und Klangkunst. Die Plurimedialität seines kreativen Ansatzes ist auch in den Stücken des vorliegenden Albums spürbar.

Bereits das eröffnende Titelstück vermittelt eine kraftvolle Vision: Pulsierende Trommeln, hektisches Tremolo und Stimmen, die wie aus einer enormen Menschenmenge zu hallen scheinen, schaffen eine bedrohliche Intensität, die zugleich eine träumerische Qualität entfaltet. All dies verweist auf die Zerrissenheit eines Moments, der gleichzeitig real und wie aus einer anderen Welt herübergeweht wirkt. “One Has To Be Murdered To Become A Martyr” ist, wer kann bei einem solchen Titel anderes erwarten, ein aufwühlender Track, der mit Streicher-Melodien, die wie ein prophetisches Element wirken, und technoiden Rhythmen eine Atmosphäre des Umsturzes einfängt. “Beauty Of Politics” hingegen zeigt eine gemächlichere, melancholische Seite, die jedoch von schneidenden Klängen durchbrochen wird und am Ende, nach einer berührenden Gesangspassage von Andreas Spechtl, fast in Lärm zu zerfallen scheint und so vielleicht auch die Fragilität und Härte politischer Realität spürbar macht.

Das kurze “Drop By Drop An Ocean Of Blood Forms” wirkt wie ein Interludium aus Rauschen und melodischen Fragmenten, die eine düstere, ergreifende Stimmung erzeugen. Mit “Women Of Fire” wird, wenn man dies so einfach assoziieren darf, die weibliche Perspektive des Protests besonders intensiv beleuchtet: Sanam Maroufkhanis gehauchte, multiplizierte Stimme verwebt sich mit orchestralen, durchdringenden Klängen, die am Ende in infernalischen Lärm übergehen. Das Weibliche selbst scheint hier mit dem furiosen, reinigenden Feuer identisch. Ähnlich mächtig ist “Fall Of The Heroes”, dessen sirenenartige Töne und marschierende Rhythmen eine apokalyptische Dramatik entfalten. In “Plain Of The Free” verbindet Alizadeh die Kamancheh, die in den ersten Tönen fast an weiblichen Klagegesang erinnert, mit Klangdokumenten der Proteste in Susangerd und schafft ein monumentales Stück, das in seiner Wirkung die Intensität von Musikgenres wie Power Electronics in den Schatten stellt.

“What Comes From The Sea Returns To The Sea” fügt sich mit seinen zunächst warmen, grummelnden Klängen und wellenartigen, kraftvollen Sounds nahtlos in die Atmosphäre des Albums ein. Die tremolierende Stimme von Leila Rahimi und eine persische Sprachaufnahme verleihen dem Stück eine eindringliche Tiefe, die sowohl intime als auch politische Dimensionen erahnen lässt. Eine weitere Kooperation mit Spechtl, “Extra Planetary Lovers”, bringt eine zarte Hoffnung in die düsteren Klangwelten. Die sanften Streichersounds und Spechtls Gesang über eine utopische Zukunft münden jedoch in klanglichen Eruptionen, die zeigen, dass selbst Hoffnung von innerer Wucht begleitet ist und bisweilen sein muss. Das finale “You Tell Me” greift die ganze emotionale Spannbreite des Albums auf. Mit verfremdeten Originalaufnahmen und orchestraler Kraft bietet es einen Schlusspunkt, der noch lange nachhallt.

“Temple of Hope” ist mehr als ein Album, sondern ebenso ein eindrucksvolles Manifest, das Schönheit vor einem Hintergrund aus Grausamkeit aufrecht zu erhalten vermag. Saba Alizadeh zeigt sich hier als Meister der Klanggestaltung, der in ein Gerüst aus Kamancheh, modularen Synthies, verfremdeten Field Recordings und anderen manipulierten Sounds Radiomitschnitte integriert und den Kompositionen eine eindringliche historische Tiefe verleiht und damit ein Werk schafft, das tief berührt und Fragen nach Menschlichkeit und Widerstand in den Mittelpunkt stellt.

Label: 30M Records