ANGELINA YERSHOVA: Resonance Night

Angelina Yershova, deren voriges Album „Piano’s Abyss“ ich vor kurzem vorgestellt habe, verfeinert seit einigen Jahren ihren hybriden Stil als Komponistin, Pianistin und Studiofrau. Schon in materieller Hinsicht ist es ihr ein Anliegen, das Potential ihres Instruments voll auszuschöpfen, denn sie kombiniert herkömmliches Tastenspiel mit vielfältigen Zugriffen auf das Innere des Flügels, bezieht also die innere „Harfe“ mit ein und nutzt verschiedene Holz- und Metallteile als perkussive Klangquellen. Doch sowohl beim Komponieren als auch beim Bearbeiten und der Produktion strebt sie eine gewisse Pop-Qualität an.

Wie schon bei „Piano’s Abyss“ scheint es ihr wieder um eine Suche zu gehen, für die sie eine sinnbildliche Reise in die Tiefen des Klaviers startet, um die verborgene, sprichwörtlich „nächtliche“ Resonanz aufzuspüren. Dabei scheint sie (man wäre geneigt, zu sagen, im Trial und Error-Verfahren, doch den Fehler im herkömmlichen Sinne gibt es in ihrem improvisierten Ansatz nicht) eine Vielzahl an Möglichkeiten auszuloten, die sich wie Wegstrecken schon in ihren metamusikalischen Songtiteln niederschlagen: „Deja Vu Glitch“, „Sweet Glissando“, „Aleatoric Mutation“, „Intermezzo 80 Hertz“, „Melancholy Modulation“ u.s.f.

Aus den kupfernen Drones der ersten Minuten taucht früh eine beschwingte Jazzmelodie an die Oberfläche, dynamisch wie eingängig und so ein guter Einstieg für eine Arbeit, die auch unterhalten will. Und dies gelingt problemlos, denn Yershova kennt die allseits beliebten Klischees und weiß sie immer wieder mit verspielter Hand einzubauen: Ein Loop aus verfremdetem Zupfakkorden, die nach Synthie klingen, knapp bemessene Tupfer, die sich wie Perlen an eine Kette reihen, skurriles Pfeifen hier und da; kristallin-ambiente Düsternis der anheimelnden Art, filmreife Paukenschläge und immer wieder ein paar aus den tiefen Tasten gezauberte Spannungsmacher.

Umso mehr mag man die Struktur suchen, die zwischenzeitlich immer mehr suspendiert wird – in scheinbar ziellos umherirrenden Jazzfragmenten, die mit kitschigen Computersounds (oder etwas verfremdetes, das so klingt) kollidieren, in beinahe sitharartigen Klängen, die sie den gezupften Saiten entlockt und mit verschiedenen Beatfragmenten kontrastiert. Interessant und meines Erachtens auch die besondere Kunst Yershovas ist, dass die meisten dieser Elemente auf einer tieferen Ebene harmonieren und die Musik somit nie zu einem Mash-up geraten lassen. (U.S.)

Label: Twin Paradox