Dass die Schweiz auf neudeutsch ein Hotspot für unkonventionelle und innovative Musik ist, hat sich bereits an vielen Orten herumgesprochen – erst im vorigen Jahr hat das international ausgerichtete peruanische Label Buh Records die Compilation “Interactions: A Guide to Swiss Underground Experimental Music” herausgebracht mit einem großen Querschnitt experimenteller Musik von Schweitzer Komponisten und Klangkünstlern. Auch der US-Amerikaner Nick Luscombe, der neben seinem Nonclassical-Label selbst als DJ und Producer aktiv ist, war bei einem Besuch im Land sehr von der Vielfalt neuartiger musikalischer Ideen beeindruckt und hat darauf hin eine Sound Journeys-Reihe über Schweizer Musik ins Leben gerufen.
Im Unterschied zu “Interactions: A Guide to Swiss Underground Experimental Music” setzt Luscombe auf dem ersten Teil der Reihe auf einen intensiven, aber auch übersichtlichen Einblick in die lokalen Musikszenen und präsentiert lediglich drei verschieden lange und auch sehr unterschiedlich ausgerichtet Tracks. Den Auftakt macht der aus den Berner und Luzerner Jazz-Communities bekannte Drummer und Percussionist Julian Satrorius mit einem kurzen Track. “Kleinbützel – La Coqerelle” undbereitet mit einer knapp zweiminütigen dublastigen perkussionseinlage von holziger Beschaffenheit einen hypnotischen Einstieg.
Mit Cyril Bondi und Laurent Peter alias D’Incise haben sich ein Perkussionist und ein Produzent dublastiger Elektronik zusammengetan, was bei den wabernden Dröhnwellen, die ihren zwölfminütigen Beitrag einleiten und an Harmonium erinnern, zunächst wundert. Dröhnende Repetition muss aber keineswegs immer einlullen, und so entwickelt sich “Ruiz” nach und nach von einer anrührend-entrückten, zu einer fast schon konfrontativ dramatischen Erzählung, in der unterschwelliges Pochen und Rauschen, kaum ortbare Soundquellen und abrupte Bewegungswechsel den Hörer in Bann ziehen. Dass immer noch genug Raum für Leerstellen bleibt, macht vielleicht den besonderen Reiz des Tracks aus.
Die in vielen Konstellationen aktive Sängerin und Klangkünstlerin Julie Semoroz firmiert solo als JMO und steuert unter diesem Projekt einen anfangs trügerisch sanften, entspannten Track mit dem verwehtem Hauch ihrer Stimme bei. Die Gitarrendröhnung und das harsche Feedback, das bald einsetzt, wissen zu überraschen und schaffen eine unruhige Monumentalität, die bewusst an den Nerven zerrt – schon weil immer wieder Unverhofftes durch den Raum des längeren Stücks weht, allem voran einmal mehr ihr klarer, nicht zu hoher Gesang, der gerade gegen Ende, wenn der Song sich fast bis zum Bersten gesteigert hat, einen Gegensatz erzeugt. Manch einer mag die Räudigkeit des Soundmaterials dadurch verdrängen können, andere erleben sie gerade durch diesen Kontrast vielleicht noch intensiver.
Dass der Song luftig, aber auch nicht zu schön auskling(el)t, wirkt wie ein Cliffhanger und macht auf die Fortsetzungen gespannt, die hoffentlich noch einigen interessanten Landsleuten zu etwas mehr überregionaler Bekanntheit verhelfen werden. (U.S.)
Label: Nonclassical