Bedenkt man, wieviel Zeit und Energie Martyn Bates und Alan Trench allein in den vergangenen Jahren in ihre zahlreichen Projekte (siehe Tags am Ende der Besprechung) investiert haben, wundert es, dass sie immer noch in relativ kurzen Intervallen längere Aufnahmen ihres Duos Twelve Thousand Days zustande bekommen. “The Birds Sing As Bells” ist ihr neuester, aber auch älteres Material enthaltender Streich und enthält alle Komponenten, die für den ornamentalen, verwunschen wirkenden und trotz aller traditionellen Referenzen experimentierfreudigen Dark Folk des Duos typisch sind.
Was zu Beginn wie ein stoisch gestimmter Vorspann heraufdämmert, ist die traditionelle schottische Murder Ballad “The Cruel Brother”, die die Geschichte eines tödlich endenden Familienzwistes erzählt – wobei sie genau genommen erst mit den Auswirkungen eines Fluchs endet. Vor einer Kulisse hypnotisierender Gitarren beschwört Bates’ strahlende Kopfstimme den grausamen Stoff als fast biblisch anmutendes Narrativ und lässt die Ornamente seines sanft exaltierten Gesangs wie die Gesten einer Pantomime ihre Akzente setzen.
Rückgriffe auf Vergangenes bilden einen zentralen Schwerpunkt des Albums, und nicht immer muss es sich dabei um Traditionals handeln. “The Fair Of St. Botolph” beschwört mit seinem galoppierenden Strumming und der von einer Winböe durch den Raum gewehten Stimme die besseren Tage der englischen Kleinstadt Boston und ihres legendären Hawk Fair. Der aufgeweckte Esprit im Zusammenhang mit der surrealen Entrücktheit gibt dem Song eine besondere Exzentrik und macht ihn zu einem Höhepunkt des Albums. Das im Duett gesungene “Taile Of A Charme” huldigt einer archaischen Volksmagie und klingt wie aus einem geheimnisvollen Fantasieland herübergeweht, und am Ende fragt man sich, ob die märchenhafte Stimmung lediglich einem Traum entsprungen sind.
Ähnliches gilt für urige, von entrückten Flöten begleitete Folksongs wie “The Hare” und natürlich für “Two Ravens”, ein schottisches, auch unter dem Titel “Twa Corbies” bekanntes Traditional, bei dem die Erkenntnis, dass des einen Tod des anderen Brot ist, in eine derbe Fabel transponiert wird. Die seltsame, “weirde” Fremdheit in solchen Songs trägt viel zum nicht-nur-schönen, z.T. avantgardistisch anmutenden Unterton von Twelve Thousand Days bei, hier findet diese sich weniger im Duett der hellen und dunklen Stimmen wieder, sondern im wahnhaft trillernden Spiel der Flöte.
Es finden sich aber auch getragenere Momente auf “The Birds Sing As Bells”, ansatzweise in dem auf Ben Jonson referierenden, ihn aber nicht zitierenden “Drink, Drink To Me, Only With Thine Eye”, in dem zaghaft um ein Glas Wasser geschmachtet wird, und nicht zuletzt in der abschließenden “Winter Suite”, in der das Land, in dem die Vögel wie Glocken singen, in einem epischen Gegenzoom in ein die Unwirklichkeit verschwindet.
Twelve Thousand Days müssen keine klar definierten Konzeptalben produzieren um ein musikalisches Statement zu setzen. Ihre Musik selbst ist Statement genug, ein vielleicht diffuses, doch wem auffällt, wie oft Begriffe wie ornamental, verweht, entrückt und andere in (nicht nur) dieser Besprechung fallen, kann sich darunter schon etwas ausreichendes vorstellen.
Label: Final Muzik