Ich weiß nicht ob der Name TetanoAmnis eine tiefere Bedeutung hat, jedenfalls bedeutet er so etwas wie Tetanusfluss, und vielleicht kann man sich die Musik des Turiner Duos wie eine Armada aus Bakterien vorstellen, die in einem dicken Strom in die Gehörgänge dringt und einen mentalen Wundstarrkrampf auslöst. Der Vergleich hinkt schon deshalb, weil er jeden Hinweis auf das Suchtpotential der Musik unterschlägt.
Paolo Balmas (nicht zu verwechseln mit dem berühmten Kunsthistoriker gleichen Namens) und Ivan Grosso (bekannt von den Freejazzern Oaxaca und den Darkfolkern Futeisha) zimmern aus einem üppigen Zutatenfundus (Samples und alles, was lärmt, Orgeln und Basssaiten, Moog, Korg und andere Synthies und vor allem Rhythmisches aller Art) heiter-dystopische Soundkollagen voll verquerer Exotik, oder wie es beim Label heißt einen “dream of sick sounds”.
Für konventionell geprägte Ohren ist dieser Traum freilich ein Alptraum. Das erste Stück “Onda Vagante” klingt wie eine Überblendung verschiedener Samples aus Radio, Film und alten Platten, wodurch natürlich Unruhe Programm ist: monumentale Orchesterklänge geben sich die Klinke in die Hand mit zitathaft aufgeklebten Takten und beängstigenden Schreien, während im Hintergrund ein Klimperkasten klimpert, und die z.T. spanischen Ansagen wirken wie Beruhigungsversuche vor einer Eskalation.
Das blecherne Getrommel auf Blechrohren und die hineinmontierten unruhigen Details machen einen Track wie “Noi Ultimi” zu etwas, das in einer besseren Welt als Inbegriff postindustrieller Apokalyptik bezeichnet werden würde, gerade wegen der schwindeligen Jahrmarktorgel, die alldem einen volltrunkenen Kommentar hinterher schickt. Ähnliches gilt für das blubbernde Wasser, das sich in Dream Machine zunächst in rotierende Propeller, dann in rituelles Geschepper verwandelt; oder für den seltsamen Gewehrsalvenrhythmus in “Soi Mutante”, unter den sich irgendwann eine brummende Ambientfläche schiebt.
In der zweiten Hälfte des Albums suchen die beiden nach allerhand neuen Ideen und die finden sie auch. Nach dem seltsam grummeligen Acid-Stück “Culicao” kommen Jazziges, Latino- und Loungelemente hinzu, natürlich durch den Fleischwolf gedreht und mit Rhythmen, die ihre Richtung immer wieder ändern.
Das Resultat ist eher ein Wadenkrampf als ein Wundstarrkrampf, zumindest für alle, die zu derart waghalsige Musik nicht tanzerfahren sind. Langeweile kommt keine Minute auf, und ich würde mir für alle, die sich einen furiosen Mix aus dem improvisierten Jazz von Oaxaca, den Soundcollagen eines Projektes wie Bardo Tödrol und einem Schuss ritueller Apokalypse wünschen, dass “Erotica Esotica” nicht das einzige Album der beiden bleiben wird. (U.S.)
Label: Chiærichetti Æditore Ræcordings