“Violet Fields”, das erste längere Release der in London lebenden Neuseeländerin Lisa McKendrick alias Nnja Riot, beginnt mit einer falschen Fährte. Vor einer Kulisse aus dezent pulsierenden Takten entfaltet ein unaufdringlicher Gesang eine sanfte, fast intime Atmosphäre, die dem Auftakt eines gehobenen, feinsinnigen Popalbums zur Ehre gereicht hätte. Doch der sich sukzessive entfaltende Bruch lässt nicht lange auf sich warten, wenn die sanften elektronischen Rhythmen sich in explosiv vorangepeitschten Lärm verwandeln und grummeligen, angsteinflößenden Stimmen ein Forum geben.
Bei dem Opener, dessen Titel “Horror Heart” heißt, hätte man das erwarten können, und es reichen wenige Momente, um zu zeigen, was die beiden Worte bedeuten können, bevor der Song sich wieder in sein Terrain einer stilvoll-müden Unaufgeregtheit zurückzieht. Mit “Violet Fields” ist McKendrick, die auch als Malerin bekannt ist und deren Projekt wie Ninja Riot ausgesprochen wird, ein wirklich bemerkenswertes und Album gelungen, das in verschiedenen Bereichen elektronischer Musik Beachtung verdient. Im Zentrum ihrer Produktionen steht meist ihre Stimme, die – leicht anders eingesetzt und v.a. kontextualisiert – immer wieder mit ihrem Popappeal beeindruckt. Mit dem Einsatz ungeschliffener Synthies, origineller Samples setzt sie diese aber immer wieder in ungewöhnlich kontrastierende Zusammenhänge, lässt Lärm und melodische Arrangements und wagemutig vertrackte Rhythmen ihr stets im Wandel befindliches Werk tun. Und der stete Wandel ist eines ihrer signifikantesten Merkmale.
Auch “The Evolve” vollzieht im Laufe seiner gut fünf Minuten einen deutlichen Tapetenwechsel: Vor einer von Klopfen durchzogenen wabernden Kulisse bringt die verfremdete Androudenstimme der Sängerin ihre hypnotisierte Message vor, doch ehe man sich versieht, wandelt sich der Song in ein rasantes, schwindelerregendes Stück, dessen Beats an die malträtierte Tastatur einer Schreibmaschine erinnern. Das folgende “Dark Assassination” praktizierte eher das, was man einmal die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen nannte, lässt griffige Synthies Raum geben für eine paradoxale Ungreifbarkeit. Ihre Stimme – in unterschiedlichen Höhen und mal nah am Ohr, mal wie aus einem anderen Raum herübergeweht – scheint dies zu untermauern.
“Shimmer Zero” – jeder der Songtitel könnte einer jungen Band als ein solider Name dienen – ist mein ganz persönliches Highlight des Albums: Peitschende Rhythmen stecken das Terrain mit kalten, metallenen Gitterstäben ab, umwickelt mit etwas ledrigem. Dazwischen sorgen westernartige Gitarrentwangs für den schwülen Gegensatz einer nächtlichen Verruchtheit, deren Mysterium ihre Flüsterstimme die Krone aufsetzt. Weiter geht es mit untergründig heiserem Murmeln, während es im Hintergrund rau und kratzig dröhnt und hämmert (“Violet Fields”) und verzückt-entspannten Vocals zwischen den Säulen eines aus den Fugen geratenen gebrochenen Taktes (“Musical Fix”).
Das abschließende “Slow Release” beschließt das Tape mit den weltentrücktesten Momenten himmlicher Dröhnung und melodischen Bimmelns, doch Nnja Riot wäre nicht Nnja Riot, wenn das Abheben hier nicht, und sei es nur der Kontrastwirkung zuliebe, auf der Tanzfläche stattfinden würde. (A.Kaudaht)
Label: Cruel Nature