Die englische Dark Folk-Band Twelve Thousand Days – unsere Leser wissen längst, dass sich dahinter die Musiker Alan Trench und Martyn Bates verstecken – ist ein scheinbar nie versiegender Quell an neuen musikalischen Ideen, und Gerüchten zufolge soll es stets einen beachtlichen Fundus an schon angefangenen und zum Teil noch fragmentarisch gebliebenen Songs geben, die darauf warten irgendwann – wenn sich beispielsweise wie von Zauberhand ein leitmotivisches musikalisches oder lyrisches Thema abzuzeichnen beginnt – Teil eines kohärenten Albums zu werden.
Genauso lief es auch beim aktuellen Album “They Have All Gone Into This World Of Light” ab: Im Laufe der Zeit sammelten sich immer mehr Songs an, teils aus eigener Feder, aber auch neu arrangierte Songs anderer oder Traditionals, die um Themen von Tod und Vergänglichkeit kreisten und einen gewissen Memento Mori-Charakter aufwiesen. Als die beiden dann noch auf das Werk des aus Wales stammenden Metaphysical Poet Henry Vaughan stießen, dem dann auch der Albumtitel entlehnt wurde, zeichnete sich immer mehr die Struktur des nun vorliegenden Albums ab.
Eine nocturnale Dunkelheit, irgendwo im weitläufig labyrinthischen Grenzbereich psychedelischen Ambients und apokalyptisch eingefärbter Folkmusik, zeichnet sich gleich im ersten Stück “The Werwolf” ab, einem viel zu unbekannten Folksong der frühen 70er aus der Feder des amerikanischen Sängers Michael Hurley und zugleich der einzige Song, bei dem Alan Trenchs ungehobelte Stimme im Zentrum steht. Im Vergleich zum fast anheimelnden Original, einem dunkelbesinnlichen Walzer mit Gitarren und Violine, tendiert die 12000 Days-Version in eine nur leicht aber dennoch merklich abstrahiertere Richtung. Die Gitarren, deren metallischer Klang stellenweise fast an den Banjo erinnert, lässt Reminiszenzen an spanische und nordafrikanische Gitarren anklingen, wie man sie z.B. von Richard Bishop her kennt, und verselbstständigen sich immer wieder zu schwungvollen melodischen Ornamenten, während im Hintergrund die Violine zusammen mit einem kratzigen Sturm ein spannungsvolles Sirren erklingen lässt. “The Bitter Withy”, ein gnostisch angehauchtes englisches Traditional vermutlich aus dem 15 Jahrhundert, erzählt eine dramatische Geschichte aus dem Leben des kindlichen Jesus, wie sie im Kindheitsevangelium des Thomas überliefert ist, von dem auch der berühmte “Cherry Tree Carol” inspiriert war. Bates charakteristische Stimme, die weit ausladende Figuren auf die imaginäre Leinwand zeichnet, tritt zusammen mit einer traumverlorenen Querflöte in einen markanten Kontrast mit dem fast trocken klingenden, krautigen Klang eines Hackbretts.
Dieses spröde Moment, das normalerweise eher ein Markenzeichen von Trenchs anderem, vielleicht spontanerem Projekt Tempel Music ist, findet sich hier in einigen der Stücke wieder, so in “I’m not the stranger”, das – nicht primär wegen des Zusammenspiels von elektrischen und akustischen Gitarren – viel von einem aufs Wesentliche reduzierten Rocksong hat mit einem bluesig angehauchten Takt, der mit Bates’ impressionistischer Stimmarbeit wunderbare Kontraste eingeht. Auch genannt werden kann hier “My golden bird the sun”, dessen akustisches Fingerspiel auch ein bisschen spröde wirkt, und gerade von dem fast schon noisig elektrifizierten Auftakt, der als stabile Grundlage während des Stücks bestehen bleibt, noch unterstützt wird. Vor diesem Hintergrund und der kratzigen E-Gitarre, die sich gelegentlich zu Wort meldet, wirkt Bates sanfte Stimme hier fast etwas aufgescheucht.
Ganz anders, viel offener emotional, gestalten sich Songs wie das sanfte T.Rex-Cover “Evenings of Damask”, aus dessen Sixtiessound ein a capella eingeleitetes, bimmelnd rituelles Interludium wird, oder das auf die Sagenwelt Lincolnshires verweisende “Five and six and seven”, zu dessen Folksound mit Gitarre und Akkordeon noch eine erdende Orgel hinzukommt. Ein Höhepunkt an melancholischer Wehmut ist der auf den besagten Dichter zurückgehende Titeltrack, der sich aus einem gebündelten Ambientstrahl erhebt, in dessen himmelhohe Töne bald Dunkles hineinbricht.
In den finalen Minuten des Albums, in der wieder rockig angehauchten Grummeligkeit von “Your beauty” und mehr noch in dem heiteren “The Green Wood”, kommt wieder mehr Bewegung ins Bild. Das Album endet mit griechischen Instrumenten und einer rasseligen Feier der Welt des Pan, wie um zu demonstrieren, dass das Sterben nicht das einzige ist, auf das man vorbereitet sein sollte. Übrigens haben die Spatzen von den Dächern gepfiffen, dass “They Have All Gone Into This World Of Light” bereits den Embryo eines neuen Temple Music-Albums oder zumindest eines Teils davon enthält. Mehr dazu natürlich, wenn alles spruchreif ist. (U.S.)
Label: Final Muzik