GUIDO FLICHMAN: En la noche de la huida

Ursprünglich war “En la noche de la huida” des in Berlin lebenden argentinischen Komponisten und Multimediakünstlers Guido Flichman als Soundtrack für eine Aufführung der Butohtänzerin Ruth Pezet gedacht, und vermutlich ist den den zunächst leisen, dann immer deutlicher zu vernehmenden Atemgeräuschen im eröffnenden “Tres Saltos” besagte Künstlerin zu hören. Mit der Zeit wird jedoch immer deutlicher, dass die Musik in ihrer atmosphärischen Dichte auch für sich ihre Wirkung entfaltet.

In den ersten Minuten steht die mit vermutlich zahlreichen Effekten unterlegte menschliche Stimme deutlich im Vordergrund, doch das Album ist reich an klanglichen und atmosphärischen Brüchen. Markante, beinahe detonierende Eruptionen unterbrechen, oft mit Vorlauf und doch unerwartet in ihrer Intensität, die Filigranität, die weite Teile nicht nur des ersten Stücks mit seinem leisen Dröhnen, den luftigen menschlichen Äußerungen und zahlreichen weniger definierbaren Sounds prägt, und verselbständigen sich im perkussiv treibenden Schlussteil.

In der Folge begegnen einem subtiles Kratzen und warm glühende Dröhnung in einer verrauschten Hülle und schwer greifbare Soundscapes mit allerhand grummelig hantierenden, sich in ihrer Intensität steig steigernden Detail, oder kleine blinkende Sinuslichter, die dunkle Räume für Sekundenbruchteile erhellen und eine vage aber eindringliche Vorstellung ihrer inhaltlichen Fülle bieten. Dann beinahe tröstend geerdete, gleitende Dröhnlandschaften von fast orgelartiger Schwere oder hörspielartige Vignetten, bei denen ein verspieltes Piano wie aus einem Raum nebenan herüberschallt und zusammen mit einer Rezitation die knisternde Klangsubstanz aufwühlt.

Eine gewisse Tendenz zur Stille – eigentlich im Musikdiskurs ein angenutztes Wort – gibt all diesen Details allerdings einen Rahmen, die letztere besonders deutlich und konturiert hervorscheinen lässt wie Thomas Bernhands weiße Köpfe in der Finsternis. Dabei lässt sich die tänzerische Performance, für die die Musik ursprünglich gedacht war, bestens visualisieren. (U.S.)

Label: Syrphe