Viele Musiker verändern ihren Stil im Laufe der Zeit, doch längst nicht alle schaffen es, dabei ein gleichbleibendes Popularitätsniveau zu halten bzw. dieses trotz aller Wandlungen noch in kleinen Schritten zu steigern. Irgendetwas muss dran sein an diesem Albin Sunlight Julius, das von all seinen Liebäugeleien mit Musikrichtungen unberührt bleibt, das sich in mittelalterlichen Soundscapes ebenso wiederfindet wie in martialischer, rockiger oder psychedelischer Gestalt. Ist es einfach nur gute PR und das Talent, das Richtige zur rechten Zeit zu machen? Ein Händchen auch für Entertainment? Die Unverfrorenheit, sich nur nach den eigenen Launen und Neigungen zu richten? Ich vermute, dass es von allem etwas ist, und über die Jahre kam sicher noch ein Gespür für passende Musiker dazu.
Entgegen der gängigen Sichtweise sah ich nie einen radikalen Bruch zwischen den späten The Moon Lay Hidden Beneath A Cloud und frühen Blutharsch-Aufnahmen, die – Sängerin hin oder her – immer noch Mittelalter-Reste hatten, und deren Melodik sich selbst in einigen der späteren Rocksongs findet. In diesen einfachen Motiven, den Melodien und den rumpelnden Pauken, die einmal jemand als „tantrum for a lost toy“ beschrieben hat, steckt ein verspieltes Moment, das einiges über den Weltbezug des vielbeschworenen Enfant Terribles sagt, das Zeit seiner Karriere ein Libertarian war, mag er früher auch den politisch unkorrekten Provokateur gegeben haben und jetzt allgemein als Hippie gelten.
Als 2011 die Reinkarnation mit dem Endlosnamen das Licht der Welt erblickte, war die Truppe um Julius längst zu einer echten Band verschmolzen, und nach diversen Releases, von denen v.a. die Kollaboration mit Aluk Todolo noch mal einen Durchbruch bedeutete, steht seit kurzem eine neue EP mit dem Titel „All to pieces“ in den Regalen. Den Release übernimmt diesmal sogar ein anderes Label, nämlich die auf Psychedelic spezialisierten Italiener von Sound of Cobra. Julius und seine Mitspieler sind guter Dinge, was in ihrem Fall weniger auf Peace and Love als auf eine drogengeschwängerte Feier des Lebens und Sterbens in all seinen Facetten hinaus läuft. Titel und Artwork künden überdeutlich vom Verfall, doch “All to pieces” ist beileibe kein Abgesang auf das Leben ob seiner Endlichkeit.
Ich bin kein Fachmann für die Musik, die Bands wie Hawkwind oder Pink Floyd in den frühen 70ern gespielt haben, doch bilden diese einen idealen Referenzpunkt für das, was die Church of the Leading Hand hier auf die Beine bringt, auch noisige Zutaten rücken die Musik m.E. nicht so nah an den Industrial, wie ein Kollege das sehen will. Kreisende, repetitive Figuren auf der Gitarre, gerne mit Tremeolo-Effekten versehen, bilden das Fundament für Passagen, die sicher noch schwindelerregender wären, hätte der rumorende, verweht grummelige Sound keine so ungemein erdende Wirkung. An den Saiten mischt diesmal ein prominenter Gast mit, der Albin schon einmal auf einem frühen Release zur Seite stand, nämlich sein ehemaliger Verleger Alan Trench, der ansonsten mit Orchis eigenwilligen Folk spielt und in Temple Music und den Howling Larsens noch experimentellere Klänge auslotet.
Insgesamt ist die Stimmung äußerst unaufgeregt. „The world is just a spaceship travelling too fast for me“, schmettert als weiterer Gast Pete Hope (Wrong Revolution, Bone Orchestra) ins Mikrophon, doch im Kosmos geht nichts verloren, nicht einmal die Spuren früherer Inkarnationen: „I’ve been here before, so I know my way“. Spirituellen Anspielungen solcher Art entpricht auch die teils mystisch-religiös eingefärbte Stimmung einzelner Songs. Die Gesangsspuren im ausladenden „Song of Life and Death“ klingen wie das Echo einer mysteriösen Liturgie, und am Ende begraben die afrikanischen Handdrums das Szenario unter einem heidnisch anmutenden Klanggewebe. In „Acheroantia“ hindern nicht nur noisige Spielereien, sondern vor allem die sakrale Orgelschwere den Song daran, in netten Westcoast-Pop zu kippen.
Laut Gerüchteküche sind die vier Tracks der einseitg bespielten 12” (auch) ein Vorgeschmack zu einem ähnlich gelagerten Longplayer, der im nächsten Frühjahr erscheinen soll. Ich halte “All to Pieces” für die gelungenste Veröffentlichung seit der Neuerfindung der Band, die durchaus auch Hörer zufrieden stellen könnte, die den Schwenk in krautig-psychedelische Gefilde bislang nicht ernst genommen haben.
Label: Sound of Cobra